Terrorwarnung lähmt Brüssel
In Brüssel steht das öffentliche Leben nach der Verhängung der höchsten Terrorwarnstufe den dritten Tag in Folge still. Bei Razzien am Sonntagabend nahm die Polizei 16 Menschen fest. Die belgische Regierung tut das Richtige, indem sie auf Nummer sicher geht, meinen einige Kommentatoren. Andere bedauern, dass die Terroristen ihr Ziel erreicht haben, weil Angst und Panik die Überhand gewinnen.
Die Nerven liegen blank
Die höchste Terrorwarnstufe in Belgien begründet Premierminister Charles Michel mit einer "ernsthaften und unmittelbaren Bedrohung". Nach den Anschlägen in Paris reicht offenbar ein einfacher Verdacht, um eine ganze Stadt lahmzulegen, beklagt die konservative Boulevardzeitung 24 Sata: "Die Alarmbereitschaft ist auf dem höchsten Level. Brüssel hat sich innerhalb kurzer Zeit von einer hastigen Geschäftsmetropole und politischen Hauptstadt Europas in eine Stadt der Schatten verwandelt. Unter den Bewohnern herrscht Panik, Angst und Unsicherheit sind überall spürbar; selbst die große Anzahl an Spezialeinheiten in den Straßen, besonders im Zentrum, flößt kein Vertrauen ein. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten ist die Lebensart der Belgier, aber auch vieler Europäer kompromittiert, Frieden und Sicherheit, auf die Europa so stolz war, befinden sich vor großen Herausforderungen. ... Der Terrorismus hat, wenn man sich heute Brüssel ansieht, eines seiner Ziele erreicht - Angst und Panik zu verbreiten."
Im Zweifel für die Sicherheit
Die belgische Regierung hat mit der Ausrufung der höchsten Terrorwarnstufe in Brüssel das Richtige getan, kommentiert die liberale Tageszeitung De Standaard, hofft aber, dass die Angst nicht überhand nimmt: "Der Staat hat die Pflicht, alles zu tun, um die Sicherheit seiner Bürger zu garantieren. Erst hinterher können wir untersuchen, ob dieser befristete Belagerungszustand angemessen war. ... Paradoxerweise kann dieser Lockdown die Angst bei den Belgiern schüren. Diese Gefühle sind aber an sich nicht falsch - solange sie nicht die Kontrolle über unser Leben übernehmen. ... Angst kann sich in irrationalem Verhalten äußern, aber auch zu positivem Handeln führen. Natürlich bleiben wir tief von unseren demokratischen Werten überzeugt. ... Doch unterstreicht diese historische Terror-Bedrohung die Notwendigkeit, in Sicherheit und Verteidigung zu investieren."
Anti-Terror-Politik der EU ist zu behäbig
Europa braucht endlich eine bessere Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden, meint das wirtschaftsliberale Handelsblatt: "Bislang kennzeichnet die Anti-Terror-Politik eine gewisse Behäbigkeit. Allzu oft wurde den Menschen versprochen, die europäischen Sicherheitsbehörden und Geheimdienste arbeiteten künftig besser zusammen. ... Doch die Anschläge von Paris haben gezeigt, dass der Austausch auch unter Freunden immer noch nicht klappt. Alle an den Attentaten Beteiligten waren zuvor bereits im Visier von europäischen Ermittlern. Genutzt hat es nichts. Das ist ein Armutszeugnis. ... So mancher Beobachter spricht von einer 'beängstigenden Stille' zwischen Europas Polizeibehörden. Sogar Bundesinnenminister Thomas de Maizière sieht Sicherheitslücken. Wie lange wollen die Europäer noch damit warten, sie zu schließen? Das nächste Attentat kommt ihnen vermutlich zuvor."