Nato schickt Verstärkung in die Türkei
Die Nato will die türkische Luftabwehr an der Grenze zu Syrien stärken. Seit dem Abschuss des russischen Kampfjets ist die Allianz mit Moskau gegen die IS-Miliz zerbrochen, klagen einige Kommentatoren. Andere warnen den Westen davor, dass Ankara ihn für eigene Zwecke missbrauchen wird.
Das Anti-IS-Bündnis ist gescheitert
US-Präsident Barack Obama hat Russland und die Türkei aufgerufen, den nach dem Jetabschuss ausgebrochenen Konflikt diplomatisch zu lösen. Der Appell ist sinnlos, die Anti-IS-Koalition ist gescheitert, meint die liberale Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore: "In Syrien werden die Russen und die Iraner gemeinsam mit [Machthaber] Assad einen Krieg führen, die USA mit den Europäern einen anderen. Konkurrenz statt Allianz, das ist das Ergebnis des Zerwürfnisses zwischen dem russischen Zaren und dem türkischen Sultan. Doch geht es nicht nur darum. Die beiden Koalitionen haben einen gemeinsamen Feind, den IS, doch sehr unterschiedliche Ziele und Zwecke. Sie müssen verhindern, sich allzu sehr in die Quere zu kommen. Die russisch-türkische Spannung wird anhalten, trotz des Versuchs von Obama, zu vermitteln. ... Ein Obama, der Ankara das Recht zugesteht, sich zu verteidigen. Dabei sind die Amerikaner doch die ersten, die die türkische Expansion in Syrien verhindern wollen, weil sie [Präsident] Erdoğan nicht trauen. Doch um sich ihn und die sunnitische Front der Golf-Monarchien warmzuhalten, beharrt Obama auf dem Rücktritt von Assad."
Ankara ist der kompliziertere Partner
Das Aufschaukeln des Streits zwischen Moskau und Ankara über den Abschuss des russischen Militärjets gefährdet die gemeinsame Mission gegen die IS-Milizen und bringt zudem die Nato in eine unangenehme Lage, analysiert der Prager Hörfunksender Český rozhlas: "Die Spannungen zwischen Erdoğan und Putin ebben nicht ab. Die Nato - ob sie will oder nicht - muss irgendwie ihr Mitglied Türkei unterstützen. ... Die Allianz verbirgt nicht ihre Beunruhigung vor dem immer agiler werdenden Russland. Sie verbirgt aber auch nicht die Frustration gegenüber der Türkei, die die übrigen Verbündeten wiederholt für die Lösung ihrer Probleme braucht und sie zudem für Ziele ausnutzt, mit denen die Nato nicht übereinstimmt. Am gestrigen Tag etwa, als die Welt mit dem Streit über den abgeschossenen russischen Jet befasst war, wurden die Operationen gegen die Kurden in der Osttürkei fortgesetzt. ... Man könnte sagen: Noch so ein Verbündeter und wir sind verloren."
Moskaus Einsatz vergrößert syrisches Leid
Moskaus Einsatz in Syrien wird nach dem türkischen Abschuss des russischen Kampfjets noch entschiedener, prophezeit das Nachrichtenportal Club Z: "Putin wird jetzt noch dreister Assads Regime unterstützen. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem syrischen Amtskollegen Walid al-Muallim hat [Russlands Außenminister] Lawrow bereits klarer denn je die Unterstützung Russlands für das syrische Regime bekräftigt. … Wie wird die Nato künftig auf Russlands Monopol im Syrienkonflikt reagieren? Wird Washingtons Reaktion weiterhin darauf begrenzt sein, die russische Version vom Flugzeugabschuss zu widerlegen? Wie weit wollen Washington und seine Verbündeten Russlands Einsatz im Syrien-Sumpf gehen lassen? Es ist schwer zu sagen, wie sich die Situation entwickeln wird, aber eines ist sicher: Das syrische Volk wird noch mehr Leid erfahren als in den vergangenen vier Jahren."
Russland stellt türkische Grenze in Frage
Die türkische Region Hatay, über der der Jet abgeschossen wurde, war Ankara 1939 von der Mandatsmacht Frankreich übergeben, von Syrien aber immer wieder für sich beansprucht worden. Moskau rollt nun den Grenzstreit wieder auf, mahnt die kemalistische Tageszeitung Sözcü: "Ankara spricht immer wieder von Einsatzregeln und davon, dass unsere Grenzen verletzt wurden. Doch Russland akzeptiert das nicht. Hier tritt das wahre Thema ans Tageslicht. Russland sagt, von welcher Grenze redet ihr? Berechtigt, unberechtigt? Wir sollten auf unsere Grenze schauen. Sind unsere Grenzen klar definiert? Sind unsere behaupteten Grenzen überhaupt von internationalen Abkommen erfasst? Nein. ... Und ihr redet immer noch von Einsatzregeln und unserer Grenze. Dabei sind wir an dem Punkt angelangt, mit Russland über die syrische Grenze zu streiten."