US-Vorwahlen in Iowa

Überraschende Ergebnisse bei den Vorwahlen in Iowa: Im demokratischen Lager lag Hillary Clinton am Ende nur 0,2 Prozentpunkte vor Bernie Sanders. Bei den Republikanern gewann Ted Cruz den Umfragen zum Trotz klar vor Donald Trump. Kommentatoren sehen die Wahlen von Politikverdrossenheit und Zorn beeinflusst.

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Jyllands-Posten (DK) /

Iowa verdeutlicht soziale Ungleichheit

Als einen Beleg dafür, dass sich Politik und Gesellschaft in den USA im Umbruch befinden, sieht die Tageszeitung Jyllands-Posten das Wahlergebnis in Iowa:

„Falls das amerikanische Establishment geglaubt haben sollte, es sei gegenüber den anti-elitären Strömungen, wie es sie in Europa gibt, immun, wird das Ergebnis der Wählertreffen in Iowa für sie wohl ein Aha-Erlebnis sein. … Ihr Ergebnis bestätigt, dass sich auch die Wähler in den USA vom politischen Zentrum wegbewegen - vielleicht sogar in noch stärkerem Maße als in Europa. ... Im Gegensatz zu Europa waren die USA immer eine Gesellschaft, in der Ungleichheit als Ergebnis privaten Unternehmertums angesehen wurde. … Aber im Jahr 2016 ist die Ungleichheit so gravierend geworden, dass sie beginnt, sich politisch zu manifestieren. ... In der politischen Debatte wird es künftig um die Konfrontation mit der herrschenden Klasse gehen - ökonomisch und politisch.“

Turun Sanomat (FI) /

Wähler interessiert nur Innenpolitik

So wichtig die USA für die Welt ist - der Wahlkampf dort ist auch nur eine Nabelschau, findet die liberale Tageszeitung Turun Sanomat:

„Im Laufe der Vorwahlen können sich die äußeren Umstände noch ändern. Das betrifft die Außen- und Sicherheitspolitik, die internationale Wirtschaft, die Energiepolitik oder die Lage innerhalb Chinas und Russlands. Auch die Terrorismusgefahr ist nicht geringer geworden. Die US-amerikanische Präsidentschaftswahl wird jedoch anhand von nationalen und bundesstaatlichen Themen entschieden. Entscheidend für die Wähler sind nationale Wirtschaft, Sicherheit, Sozialpolitik und Schul- sowie Einwanderungspolitik. Auch wenn die USA und ihr Präsident einzigartige internationale Bedeutung haben, so sind doch nur die Amerikaner wahlberechtigt. Europa bestimmt den US-Wahlkampf in keinster Weise, auch wenn man das auf dem alten Kontinent manchmal glauben mag.“

Webcafé (BG) /

Sanders und Clinton wären Bulgaren viel zu alt

Präsidentschaftsbewerber um die 70 Jahre erscheinen aus bulgarischer Sicht ziemlich befremdlich, erklärt das Onlineportal Webcafé:

„In Bulgarien werden ältere Menschen als lebende Todesanzeigen angesehen und diejenigen, die sich gegen das Stigma wehren, beispielsweise Wissenschaftler, als 'feudale Greise'. Die Wähler in Bulgarien scheinen Politiker abzuschreiben, sobald diese das Renteneintrittsalter erreichen. … Das Alter ist von großer Bedeutung in Bulgarien. Entweder man ist zu jung oder zu alt. Am Ende stellt sich heraus, dass man vielleicht zwanzig Jährchen hat, in denen man etwas taugt. Vor diesem Hintergrund muten die US-Präsidentschaftskandidaten merkwürdig an. Bernie Sanders findet viel Unterstützung bei jungen Wählern, Hillary Clinton schießt Selfies mit Katy Perry und chattet auf Snapchat. Ganz schön durchgeknallt, diese alten Rentner.“

Aftonbladet (SE) /

Sanders ist nur ein Träumer

Mit Bernie Sanders als Präsidentschaftskandidat würden die Demokraten keinen empfehlenswerten Weg einschlagen, meint die linksliberale Tageszeitung Aftonbladet:

„Der Kampf bei den Demokraten spiegelt einen ewigen Konflikt innerhalb der Linken wider: Sollen Politiker unbeirrte Träumer sein oder sollen sie versuchen, das Leben gewöhnlicher Menschen hier und jetzt besser zu machen? Sanders spiegelt teilweise die düstere Botschaft des republikanischen Abgrundkandidaten Donald Trump wieder: Das Land ist kaputt und dysfunktional. Kleine Veränderungen in der Peripherie sind sinnlos. ... An Bernie Sanders ist im Grunde nichts auszusetzen. Seine Kampagne hat die Debatte nach links gerückt und Hillary Clinton gezwungen, deutlicher Stellung zu beziehen. Aber die Hoffnung der Linken ruht letztlich auf Politikern, die den Willen und das Vermögen haben, etwas zu tun, statt nur zu reden und zu träumen.“

Kurier (AT) /

Zorn bestimmt US-Wahlen

Das bestimmende Motiv der US-Wähler ist Zorn, meint der liberale Kurier mit Blick auf den Auftakt der Vorwahlen:

„Auf der Welle aus Wut und Angst vieler amerikanischer Wohlstandsverlierer - und die gibt es zuhauf - schwimmt Trump ganz oben. Am Ende des linken Wählerspektrums sammelt wiederum der selbst ernannte 'amerikanische Sozialist' Bernie Sanders die Stimmen der Wutbürger ein. Der Zorn der Wähler auf ihr politisches Establishment, er ist offenbar das tragende Motiv des Wahljahres 2016. Und keiner nutzt ihn besser für seine Zwecke als der von Größenwahn befallene Bautycoon. Bis heute konnte man hoffen, dass der Medienrummel Trump bedeutsamer gemacht hat, als er in Wirklichkeit ist. Die Wähler in Iowa werden ihn einem ersten Realitätscheck unterziehen. Doch zu befürchten ist: So echt Frust und Wut der Wähler sind, so echt ist wohl auch Trump.“

El Periódico de Catalunya (ES) /

Trump und Sanders zeigen Empörung der US-Bürger

So unterschiedlich Donald Trump und Bernie Sanders sein mögen - gemeinsam repräsentieren sie die Politikverdrossenheit der US-Bürger, bemerkt die linksliberale Tageszeitung El Periódico de Catalunya:

„Mit ihm [Trump] haben die Republikaner eine großes Problem. Denn sollte er sich im Wahlkampf weiter durchsetzen, könnte der Millionär letztlich die Partei spalten. Auf Seiten der Demokraten hat Hillary Clinton mit dem Linkspolitiker Bernie Sanders einen unerwarteten und unbequemen Rivalen. ... Trump und Sanders haben an sich nichts gemeinsam, außer einer Eigenschaft, die am Ende wahlentscheidend sein könnte. Der Aufstieg beider ist die direkte Konsequenz aus einer allgemeinen Unzufriedenheit der Wähler, die das Vertrauen in die politische Klasse verloren haben und sich von den Machthabern ausgenutzt fühlen. In dieser Empörung ähneln sich die USA und Europa.“

Financial Times (GB) /

Ära der Polarisierung

Auch ein bei großen Teilen der US-Bevölkerung unbeliebter Kandidat wie Donald Trump hat derzeit eine realistische Chance, Präsident zu werden, analysiert die konservative Tageszeitung Financial Times:

„Im Gegensatz zu den Berufspolitikern unter den Republikanern spricht Trump über die Parteigrenzen hinweg Wähler an. Es ist schon wahr, dass seine Ablehnungsrate mit minus 27 Prozentpunkten laut Gallup höher ist als die aller anderen potenziellen Kandidaten. Hillary Clintons Ablehnungsrate liegt bei minus vier Prozentpunkten. Trump ist der unbeliebteste Politiker in den USA. Doch er ist möglicherweise auch der populärste. In einer Ära der Polarisierung zählt die Fähigkeit, deine Stimme zu bekommen, mehr als die trügerische Jagd nach dem Wechselwähler. Zur Begeisterungsfähigkeit der Trump-Wähler muss man dessen Gabe zur Image-Veränderung hinzurechnen. Ihn abzuschreiben, wäre daher voreilig.“

NRC next (NL) /

Vorwahl ist guter Reality-Check

Ein Sieg von Trump ist durchaus möglich, meint die liberale Tageszeitung NRC.next:

„Das US-Präsidentschaftsrennen ist ein knallharter, öffentlicher und kollektiver Auswahlprozess, bei dem die Kandidaten auf Herz und Nieren geprüft werden. Aufgeblasenheit, Kopierverhalten und falsche Ansprüche werden im Prinzip gnadenlos entlarvt. Das gilt für Hillary Clinton aber auch für Trump. Jetzt nimmt die Einsicht zu, dass ein Mann, der noch nie ein politisches Amt hatte, dennoch der nächste Präsident der Vereinigten Staaten werden kann. Daher werden auch seine Fähigkeit seriöser untersucht. Ob er diesen Test besteht, muss sich noch zeigen. ... Das US-amerikanische System hat schon häufiger Rückschläge überstanden und sollte auch in der Lage sein, Donald Trump zu absorbieren: Die Macht des Präsidenten ist nun einmal durch Gesetze und Gegenmächte begrenzt. Und auch ein möglicher Sieg von Trump wäre eine Folge freier, demokratischer Wahlen.“