Ukrainischer Premier Jazenjuk bleibt im Amt
In Kiew hat Premier Arsenij Jazenjuk am Mittwoch ein Misstrauensvotum überstanden. Nachdem Präsident Petro Poroschenko ihn zum Rücktritt aufgefordert hatte, stellte sich das Parlament hinter den Premier. Doch der Frust der Bürger angesichts der schleppenden Reformen bleibt bestehen, zeigen sich Kommentatoren besorgt.
Regierung in Kiew wankt weiter
Das Regieren dürfte nach dem Misstrauensvotum in Kiew schwierig werden, fürchtet die konservative Tageszeitung Dziennik Gazeta Prawna:
„Zwei Mitglieder der Regierungskoalition - die liberale Samopomicz (Selbsthilfe) von Andrij Sadowy und die populistische Vaterlandspartei von Julia Timoschenko - und viele Abgeordnete der Partei des Präsidenten BPP haben für die Ablösung der eigenen Regierung gestimmt. Und gestern hat Timoschenko sogar direkt den Austritt aus der Koalition erklärt. Theoretisch verfügen der Rest der BPP sowie die Narodowy Front (Volksfront) von Regierungschef Jazenjuk zwar noch über eine knappe Mehrheit. Doch dürfte es praktisch sehr schwer werden, so weiter zu regieren. Denn die Ereignisse vom Dienstag haben viele Angeordnete der Präsidentenpartei BPP demoralisiert. ... Und der Öffentlichkeit gefallen solche Spielereien überhaupt nicht.“
Hoffnung auf Reformen ist gestorben
Zwar hat Arsenij Jazenjuk das Misstrauensvotum überstanden, doch in der Bevölkerung hat seine Regierung keinen Rückhalt mehr, ist sich die linksliberale Tageszeitung De Volkskrant sicher:
„Die Ukrainer hofften, dass die Maidan-Revolution der breiten Korruption im Land ein Ende bereiten werde. Aber alles scheint beim Alten geblieben zu sein: Politiker und Geschäftsleute schützen einander noch immer. ... Viele zweifeln auch an der Aufrichtigkeit von Präsident Poroschenko, der versprach, den politischen Einfluss der Oligarchen zu beenden: Der Präsident gehört selbst zur Unternehmerelite. ... Der Frust der Bevölkerung kam erneut zum Ausdruck, als Premier Jazenjuk die Rücktrittsaufforderung des Präsidenten ignorierte. Jazenjuk nimmt schon lange keine Rücksicht mehr auf die Meinung der Bevölkerung und kämpft lieber für seine eigenen Interessen.“
Europa darf Kiew nicht aus dem Fokus verlieren
Die EU muss die Ukraine trotz aller Probleme weiter finanziell und politisch unterstützen, mahnt die linksliberale Tageszeitung The Guardian:
„Zwei Jahre nach der Revolution auf dem Maidan haben die schleppenden Reformbemühungen ohne Zweifel zu Frust in der Öffentlichkeit geführt. Der Wirtschaft geht es schlecht und die Zustimmungsraten zum Regierungschef sind abgestürzt. ... Die Entwicklungen in der Ukraine zeigen, dass es mehr und nicht weniger Aufmerksamkeit und Zuwendung des Westens und Europas braucht. Sowohl die internationale finanzielle Unterstützung als auch die diplomatischen Bemühungen sollten weiterlaufen, damit sich die Ukraine stabilisieren kann. Es mag angesichts all der anderen Probleme, mit denen sich Europa konfrontiert sieht, schwer sein, das den Menschen zu verkaufen. Doch es ist in Europas Interesse, sich einzubringen und nicht abzuwenden.“