PiS-Regierung streitet mit Verfassungsgericht
Das polnische Verfassungsgericht hat das Gesetz für verfassungswidrig erklärt, mit dem Polens national-konservative Regierung das Oberste Gericht Kritikern zufolge praktisch lahmlegen würde. Schlittert Polen in eine Staatskrise?
Polen auch schon vor der PiS wenig demokratisch
Polens Rechtsstaatlichkeit steht im Moment nicht gut da, was aber nicht allein die Schuld der PiS-Regierung ist, konstatiert die konservative Boulevardzeitung Super Express:
„Das Wort Demokratie ist den polnischen Politikern in letzter Zeit ziemlich schnell über die Lippen gekommen. Die einen meinen, sie existiert nicht mehr, weil die PiS das Verfassungsgericht schwächen will. Die Partei antwortet, dass mit der Demokratie alles okay sei. Denn schließlich verprügelt die Polizei die Demonstranten auf der Straße ja nicht. Im Prinzip haben alle ein bisschen Recht. ... Polen befindet sich auf dem aktuellen Demokratie-Index des [britischen Wirtschaftsblatts] Economist auf dem 48. Platz - hinter Bulgarien, Ost-Timor sowie Trinidad und Tobago. Und dort ist es nicht nur wegen der PiS, sondern auch wegen der Arbeit der Vorgängerregierungen unter der PO, die auch nicht besser waren.“
Kaczyński hat Polen den Krieg erklärt
Polens national-konservative Regierung hat die Kritik der Venedig-Kommission des Europarats an der Schwächung des polnischen Verfassungsgerichts zurückgewiesen. Gleichzeitig protestierten Tausende gegen die Regierungspolitik. Das liberale Nachrichtenmagazin Newsweek Polska sieht einen Krieg um die Zukunft des Landes:
„Kaczyński hat Millionen von Polen den Krieg erklärt und sie beleidigt, indem er den Rechtsstaat zerstört, die Verfassung gebeugt und die Stimmen der zivilisierten Welt einfach überhört hat. ... Die Schlacht, die jetzt beginnt, ist das größte Gefecht seit 1989. Dabei geht es zum einen um die Form und die Fundamente des polnischen Staats und zum anderen darum, wie unsere Gesellschaft aussehen soll. Es ist ein Kampf um die Zukunft Polens, auch wenn es zunächst nur wie der Kampf gegen einen Diktator aussieht, der sein Mandat überschritten sowie den Rechtsstaat und die Gesellschaft zerstört hat. “
Prag darf Duda ruhig kritisieren
Polens Präsident Andrzej Duda wird am heutigen Montag zu seinem ersten Besuch in Tschechien erwartet. Die konservative Tageszeitung Lidové noviny ist gespannt, wie sich Prag zu den kontroversen innerpolnischen Entwicklungen unter Führung der PiS positionieren wird:
„Tschechien und Polen sind Verbündete in der Visegrád-Gruppe, in der Nato und der EU. Bedeutet aber dieser Fakt, dass man alles beklatschen muss, was der Partner tut? ... Es wird interessant sein, zu beobachten, auf welchem Feld die Partnerschaft mit den Konservativen und Duda aufblüht. Auf dem Feld des gemeinsamen Widerstandes gegen das 'Diktat aus Brüssel', oder auf dem Feld der gemeinsamen Interessen in der Europäischen Union, die gefährlich auseinander driftet. Verbündete zu sein, heißt nicht, dass man allem unkritisch applaudieren muss. Verbündete sind keine Vasallen.“
Opposition wird polnisches Rechtssystem lähmen
Nachdem die Reform des polnischen Verfassungsgerichts als verfassungswidrig eingestuft wurde, wird die Opposition nun alle anderen neuen Gesetze der PiS-Regierung überprüfen lassen, fürchtet die konservative Tageszeitung Rzeczpospolita:
„Die rechtlichen Konsequenzen sind von allen nun entstehenden Problemen die bedrohlichsten. Wenn man jetzt wieder alle Gesetze überarbeitet, führt dies wieder zu neuen Urteilen sowie widersprüchlichen Interpretationen des Rechts. Der Knoten, der dadurch entsteht, lässt sich dann kaum noch auflösen. Die Entscheidung des Verfassungsgerichts von gestern, sowie die Tatsache, dass die Regierung diese nicht anerkennt, hat eine Kettenreaktion bewirkt, die zu einer vollständigen Demontage des polnischen Rechtssystems führen kann.“
Kaczyńskis Partei beendet die Gewaltenteilung
Die Gewaltenteilung in Polen ist faktisch beendet, bemerkt die linksliberale Süddeutsche Zeitung, sieht aber keinerlei Konsequenzen drohen:
„Die Regierung eines EU-Mitglieds, des wichtigsten Landes in Zentraleuropa, stellt sich bewusst außerhalb des europäischen Rechtsraums. Jarosław Kaczyński und seine Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) wollen, wie jede auf autoritäre Herrschaft zielende Macht, ein zentrales Prinzip des modernen Rechtsstaates faktisch abschaffen: dass eine Regierung und ihre Mehrheit im Parlament der Kontrolle durch unabhängige Richter unterworfen sind. ... Bleibt es dabei, müsste die EU-Kommission bald Sanktionen gegen Warschau verhängen und mittelfristig die Fördermilliarden kürzen. Nur: In Zeiten, in denen Brüssel die Türkei wegen ihrer zentralen Rolle in der Flüchtlingsfrage umwirbt, ist ein entschlossenes Vorgehen gegen demokratische Sünder innerhalb der EU unwahrscheinlich.“
Oberster Richter treibt Polen in die Anarchie
Der Vorsitzende des Gerichts, Andrzej Rzepliński, stürzt mit dieser Entscheidung das Land in den Abgrund, ereifert sich Jan Maria Jackowski von der regierungsnahen nationalkonservativen Tageszeitung Gazeta Polska Codziennie:
„Jetzt haben wir es in Polen mit einer Anarchisierung des Staats zu tun. Und zwar deswegen, weil der Vorsitzende Rzepliński eine Entscheidung getroffen hat, für die es keine Rechtsgrundlage gibt. Er missbraucht seine Autorität und das Verfassungsgericht als staatliches Organ, um sich aktiv in einen politischen Streit einzumischen. ... Dies führt zu einer außergewöhnlichen Situation, die entsprechende Maßnahmen von Seiten des Staats erfordert. Ich hoffe, dass die Staatsorgane, die für die Wahrung der rechtsstaatlichen Prinzipien und der verfassungsrechtlichen Ordnung Polens verantwortlich sind, auch die jetzt notwendigen Reaktionen zeigen.“