Brasiliens Präsidentin Rousseff supendiert
Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff ist von ihrem Amt suspendiert worden. Politische Gegner werfen ihr vor, für den Wahlkampf 2014 die Haushaltszahlen geschönt zu haben - sie selbst spricht von einem Putsch. Auch einige Kommentatoren werten die Amtsenthebung als undemokratisch. Andere freuen sich über das Scheitern der Linken in Südamerika.
Amtsenthebung ist undemokratisch
Die Suspendierung der brasilianischen Präsidentin beruht auf unbewiesenen Behauptungen, klagt Trouw:
„Rousseff ist vielleicht unpopulär und weniger fähig, als man dachte, doch ihr Scheitern ist eher politischer Natur. Sie konnte weder verhindern, dass Brasilien in eine wirtschaftliche Krise kam, noch konnte sie etwas dagegen tun, dass sich einige ihrer Parteigenossen bereicherten. Doch das ist etwas anderes als ein bewiesenes Verbrechen. ... In einer gut funktionierenden Demokratie führt politisches Scheitern zu einem Machtwechsel über die Wahlurne. ... So wie es jetzt aussieht, wird die Präsidentin mit einem Trick aus dem Sattel gestoßen, und dann von einem Politiker ersetzt, Michel Temer, der selbst der Korruption verdächtigt wird. ... Brasilien macht einen deutlichen Rückschritt.“
Brasiliens Einheit wiederherstellen
Die Suspendierung von Rousseff entlarvt die falschen Hoffnungen der Linken in Lateinamerika, urteilt die konservative Tageszeitung ABC:
„Die Ära der strukturellen Linkspolitik, des Mythos des progressiven Lateinamerikas, ist in Brasilien gescheitert, wie in allen Ländern, in denen man versucht hat, diese Ideologie in die Praxis umzusetzen. ... Das erste Ziel von Temer muss es sein, die Einheit der brasilianischen Gesellschaft wieder herzustellen und den Fortbestand der Institutionen zu wahren. Es steht zu viel auf dem Spiel - auch für Spanien, und zwar nicht wenig - um so einen Staat einer selbstzerstörerischen Kettenreaktion zu überlassen. Aufgrund der Größe, der Wirtschaftskraft und der intellektuellen Bedeutung kommt Brasilien für den gesamten Kontinent eine Schlüsselrolle zu. Was dort passiert, wirkt sich auf alle anderen Länder der Region aus.“
Globalisierung braucht unbedingt Regeln
Die Situation in Brasilien ist symptomatisch für aufstrebende Schwellenländer, konstatiert die Tageszeitung Corriere della Sera:
„Das Amtsenthebungsverfahren gegen Dilma Rousseff zeigt, dass die großen Schwellenländer unter dem Einfluss des Wettstreits der Globalisierung nunmehr ihr Ziel erreicht haben, ohne Reformen und Regeln einzuführen. ... Handel und Business müssen nun in einem System internationaler Verflechtungen florieren, das transparent ist und auf klaren Regeln beruht. Deshalb ist die heute zur Debatte stehende transatlantische Partnerschaft, das Freihandelsabkommen TTIP, wichtig: Um zu vermeiden, dass die nächste Phase der Weltwirtschaft eine Olympiade ohne Regeln wird, in dem man sich streitet statt zu konkurrieren.“