Bildungsstreit in Kroatien
Mehr als 50.000 Menschen haben am Mittwoch in Kroatien für die Bildungsreform demonstriert. Auslöser war der Rücktritt der Expertengruppe, die in den vergangenen Monaten die Reform koordiniert hatte. Sie wurde noch von der Vorgängerregierung eingesetzt, die national-konservative Regierung hatte versucht, sie zu beeinflussen. Kommentatoren hoffen, dass nun ein Aufschrei durch die Gesellschaft geht.
Kroaten nehmen ihr Schicksal endlich in die Hand
Der massive Protest gegen die Einmischung der Regierung in die Arbeit der unabhängigen Kommission ist für Novi list ein Hoffnungssignal, dass die Kroaten endlich aus ihrer Lethargie erwachen:
„Die Kroaten haben sich in der Vergangenheit nie als große Demonstranten hervorgetan. Aber mit den überraschend zahlreichen Protesten schickte man den Politikern gestern eine klare Botschaft: Wir wollen nicht mehr teilnahmslos zuschauen, wie wir unsere Zukunft verlieren. Die Bürger wollen sich nicht mehr abfinden mit dem wirtschaftlichen, sozialen und politischen Zerfall Kroatiens, den die neue Regierung beschleunigt. Die Demonstrationen offenbaren bunten Widerstand. Lehrer und Bürgervereine machten den Anfang, ihnen folgten Gewerkschaften, Arbeitgeber und viele Bürgerinnen und Bürger. Am Schönsten war es, so viele junge Menschen bei den Demos zu sehen. Gut, dass sie lautstark für eine bessere Heimat kämpfen wollen, statt still die Koffer zu packen, um ihr Glück im Ausland zu suchen.“
Regierung und Kirche spalten die Gesellschaft
Die kroatische Regierung drückt der Bildungsreform im Land ihren national-konservativen Stempel auf und macht die Kirche damit wieder zum Vormund des Volkes, kritisiert die Tageszeitung Delo:
„Viele Vertreter des Schulwesens machen den Bildungsminister Predrag Šustar verantwortlich, der dem Prozess der Schulreform seine Politik aufdrücken möchte. Eine Politik, die im Stillen mit der katholischen Kirche vereinbart wurde. Es scheint, dass sich die Kirche erneut zum Vormund des kroatischen Volkes machen will. Die Spaltung in 'die Unseren und die Euren' wird so nur vertieft. Der rechte Agitprop und die Befürwortung seiner Prinzipien wird laut und aggressiv. Denjenigen, die damit nicht einverstanden sind, bleibt nichts anderes übrig, als ihre Unzufriedenheit lautstark kundzutun. Kultur und Bildung haben starken Einfluss auf die Gesellschaft, auch in Kroatien. Deshalb würde sich die politische Führung gerne in jede Entscheidung einmischen.“