Keine Flucht mehr über die Balkanroute?
Grenzen schließen, Frontex aufstocken: Auf einem Flüchtlingsgipfel in Wien haben sich elf EU-Staaten auf Maßnahmen geeinigt, um die irreguläre Migration entlang der Balkanroute endgültig zu stoppen. Einige Journalisten sehen in den Beschlüssen einen Fortschritt, für andere gleicht die weitere Abschottung einer Kapitulation.
Schutz der Außengrenzen richtiger Schritt
Wegweisend ist der Flüchtlingsgipfel für das Handelsblatt:
„Mit einem besseren Schutz der EU-Außengrenzen - insbesondere für die südosteuropäische Flanke in Bulgarien - ist trotz vieler Interessengegensätze ein Konsens erzielt worden. Die personelle Aufstockung der europäischen Grenzschutzagentur Frontex ist ein richtiger Schritt. ... Entgegen allen Unkenrufen hat sich das von Merkel initiierte Abkommen mit der Türkei über die Rückführung illegaler Flüchtlinge bewährt. Das lässt sich an der dramatisch gesunkenen Zahl von Migranten ablesen, die über die Ägäis nach Griechenland gelangen. Diesen politischen Erfolg gilt es nun zu wiederholen. Die Forderung der Kanzlerin, möglichst schnell auch mit anderen Ländern des Nahen Ostens und Afrika ähnliche Rücknahmeverträge abzuschließen, ist ein sehr wichtiger Schritt nach vorne.“
Abschottung wird zum Leitmotiv
Die EU kapituliert vor den Flüchtlingsgegnern, die vornehmlich in Osteuropa regieren, wettert Corriere della Sera:
„Die Flagge der Aufnahmepolitik wird eingerollt und an ihre Stelle tritt langsam aber sicher ein mitschuldiges Schweigen, das die Abriegelung nationaler Grenzen gutheißt. Und vor allem finden so skandalöse Treffen wie der Gipfel in Wien am Samstag statt, wo die 'betroffenen Länder' erklärten, die Balkanroute werde für immer geschlossen. ... Als ob die Routen der Geflüchteten für sich stünden und nicht miteinander verbunden wären. Als ob die Flüchtlingsfrage nicht das Problem aller wäre - angefangen in Italien. Vor nicht einmal einem Jahr öffnete Angela Merkel die Grenze, Schweden nahm Flüchtlinge auf, Italien und Griechenland retteten Migranten vor dem sicheren Tod. ... Es war eine Kraftprobe gegen die Festungen, die die Osteuropäer errichtet haben. Das Kräftemessen hat sich in ein schleichendes Einverständnis verwandelt: 'Schluss mit der Migration'.“
Den Frieden von morgen vorbereiten
Die Entscheidung, Flüchtlinge aufzunehmen, ist eine Investition in die Zukunft, erklärt Ouest France:
„So lange der Krieg andauert, so lange Völker von Elend, Diktaturen, Korruption und Bildungsmangel betroffen sind, wird der Flüchtlingsstrom nicht abreißen. Diese Länder werden jedoch nicht ihre gesamte Bevölkerung verlieren. Migranten und Flüchtlinge müssen ihr Land wieder aufbauen, wenn der Frieden einmal zurückgekehrt ist. Daher sollten wir nicht vor unserer Verantwortung fliehen, die darin besteht, das Recht einzuhalten und ihnen in dieser Zeit ohne Zuflucht zu helfen. Beweisen wir Menschlichkeit, was die Vorsicht nicht ausschließt, Schlepperbanden zu zerschlagen. Beweisen wir Vorstellungskraft, indem wir sie auf die Rückkehr in ihr Land vorbereiten, um es wieder aufzubauen. Durch die Aufnahme heute bereiten wir den Frieden von morgen vor. Die Anerkennung, gerettet worden zu sein, wird Bindungen knüpfen, die stärker sind als nach Rache trachtender Hass.“