Aufregung um Trumps Wahlbetrug-Spekulationen
Das stärkste Echo nach dem dritten TV-Duell im US-Wahlkampf 2016 hat wohl die Aussage Donald Trumps hervorgerufen, er werde das Wahlergebnis eventuell nicht anerkennen. Damit hat Trump die Demokratie beschmutzt und sich selbst zum Verlierer erklärt, meinen Kommentatoren. Sie warnen allerdings auch, dass der Populismus nicht besiegt wird, wenn die alten Garden gewinnen.
Trump hat die Medien im Griff
Als geschickten Schachzug bewertet der Journalist Saska Saarikoski Trumps Unterstellungen, es könne Wahlbetrug geben. Er schreibt in Helsingin Sanomat:
„Trump kennt die Meinungsumfragen und er weiß, dass er die Wahlen wahrscheinlich verlieren wird. Doch er will die letzten Wochen des Wahlkampfs trotzdem nicht im Abseits stehen. Deshalb musste er den Medien etwas geben, an dem sie zu beißen haben. … Indem er andeutet, dass er seine Rolle nicht brav spielen würde, schafft es Trump, die gesamte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. … Es ist ihm gelungen, die Medien die gesamte Wahlkampagne über im Griff zu haben. Wie Sie bemerkt haben, konzentriere auch ich mich in diesem Kommentar auf Trump, nicht auf Hillary Clinton (die in der Debatte übrigens sehr gut war).“
Ein Stresstest für die amerikanische Demokratie
Nur noch zerschlagenes Porzellan erkennt El País am Ende dieses Wahlkampfs:
„Es ist keine Übertreibung zu behaupten, dass die US-amerikanische Demokratie einem Stresstest unterzogen wird, seitdem Trump als Präsidentschaftskandidat der Republikaner ins Weiße Haus einziehen will. Die Partei ist tief gespalten und von Grund auf verunsichert, ihre Führer mussten im Fernsehen das oft absurde Gerede ihres offiziellen Kandidaten mit ansehen und die demokratische Kandidatin musste mehr als einmal auf sinnlose Polemik eingehen. Trump hat unbeirrt weitergemacht und alle nur denkbaren roten Linien überschritten, in der Vorstellung, er sei gegen das Feuer immun, das er legt. Doch am Donnerstagmorgen ist er zu weit gegangen. ... Wie alle schlechten Verlierer wirft Trump das Spiel zu Boden, wenn er verloren hat, und beschmutzt damit die Demokratie, die ihn mit Resignation erträgt.“
Trumps Business-Plan ist gut durchdacht
Warum Trump gar nicht unbedingt daran gelegen ist, über sein eigenes Lager hinaus zu einen, erklärt Le Vif/L'Express:
„Beobachtern zufolge geht es ihm nicht darum, zu gewinnen. Warum? Weil sein künftiges Business - das, was ihn wirklich interessiert - das des weißen Amerikas ist. Er interessiert sich für die weiße Mittelschicht, eine Schicht, die, das weiß er, für den Einzug ins Weiße Haus rechnerisch nicht genügt. Diese Klasse hat er jedoch sicher erobert. Indem er einen TV-Sender für sie gründet, der seine Ansichten mit all seinen Exzessen verbreitet, kann er sich einen ergiebigen Werbemarkt sichern. … Trump weiß nämlich, dass sein Hotelbusiness schon lange nicht mehr lukrativ ist. Deshalb will er ins Mediengeschäft wechseln. Stellen Sie sich ein Medium der Marke Trump News vor, das vier Jahre lang alles Tun und Handeln der Präsidentin Hillary Clinton unter Beschuss nimmt: ein Genuss für all die Wähler, die sie zutiefst hassen.“
Der Populismus ist mit Clinton nicht besiegt
Nach dem letzten TV-Duell scheint der Sieg von Hillary Clinton gewiss. Und wenn nun überall das Establishment siegen sollte?, fragt sich besorgt Politikwissenschaftler Lucio Caracciolo in La Repubblica:
„Dann würden die Weissager, die angesichts der Beschlagnahmung der Überreste der liberalen Demokratien durch unverantwortliche Demagogen oder ausländerfeindliche Ultranationalisten die drohende Apokalypse prophezeien, sofort zum Rückzug blasen und uns informieren, dass der Notstand vorbei sei. Alles werde wieder gut, ja sogar besser sein als vorher. Sie würden irren. Die Krankheit, die mehr oder weniger stark die westlichen Demokratien befallen hat und als Populismus bezeichnet wird, wird nicht mit einem Wahlergebnis besiegt, das per Definition widerrufbar ist, und noch weniger mit einer Rhetorik des guten Willens. Die Krankheit kann nur bekämpft und vielleicht besiegt werden, wenn man den Bürgern wieder die Möglichkeit gibt, zwischen wahren Alternativen zu wählen.“
Warum sich Clinton zurückgehalten hat
Hillary Clinton hat Donald Trump in der TV-Debatte geschont, um unentschlossene Wähler zu gewinnen, vermutet Aamulehti:
„Clinton hat wohl geschickter als erwartet versucht, die Stimmen der unentschlossenen, moderaten konservativen Wähler zu bekommen. Vielleicht hat sie auch deshalb nicht versucht, Trump in Las Vegas zu vernichten. Die Liberalen und Radikalen hätten am Mittwochabend sicher gerne eine politische rituelle Schlachtung gesehen. Sie wurden von Clinton enttäuscht. Doch den Boden mit dem Gegner zu wischen, hätte nur jene in ihrer Überzeugung bestärkt, die sich ohnehin schon entschieden haben, für die Demokraten zu stimmen. Indem sich Clinton für traditionelle amerikanische Werte aussprach, wendete sie sich an neue Unterstützer. Ihre Hoffnung ist, dass diese insbesondere aus solchen Bundesstaaten kommen, in denen Trump nun Schwierigkeiten hat, nachdem er dort bis vor Kurzem deutlich in Führung lag.“
Demokraten droht ein Brexit-Szenario
Den Umfragen zufolge wird Hillary Clinton die Wahl gewinnen. Doch darauf dürfen sich die Demokraten nicht verlassen, warnt De Morgen:
„Die Aversion gegen Clinton könnte am Ende dafür sorgen, dass viele Republikaner doch noch zur Wahl gehen werden, um für Trump zu stimmen: einen Mann, den sie bis vor einigen Wochen eigentlich noch gut fanden. Hinzu kommt, dass die Umfragen nicht den Schamfaktor berücksichtigen. Viele Trump-Wähler sind auf ungenierte Weise offen, aber es gibt auch viele Amerikaner, die lieber nicht wollen, dass man um ihre politische Haltung weiß. ... Die Hillary-Kampagne wird nun massiv versuchen, die demokratischen Wähler zu mobilisieren und ihnen klar zu machen, dass sie am 8. November wählen müssen. ... Man kann nur hoffen, dass Clinton nicht den gleichen Fehler macht wie die Brexit-Gegner: Die gewannen die Umfragen, aber sie verloren die Wahl gegen Politiker, die man rational nur schwer einschätzen kann und die im entscheidenden Moment für irrationalen Horror sorgen können.“
Trump will Glauben an Demokratie zerstören
Als er am Ende der Debatte gefragt wurde, ob er das Wahlergebnis in jedem Fall anerkennen werde, wollte sich Trump nicht festlegen. Damit zweifelt er an dem, was den Amerikanern hoch und heilig ist, konstatiert Huffington Post Italia:
„Die Tatsache, dass Trump, sollte er die Wahl am 8. November 2016 verlieren, das Resultat der Urnen nicht anerkennen könnte, bedeutet den Bruch mit einem politisch-religiösen Dogma, an das alle Amerikanern bedingungslos glauben. Es ist das erste Mal in der Geschichte der US-Demokratie, das erste Mal seit 240 Jahren. Es ist eine Neuigkeit, die viel aussagt über die Tiefe der politischen Krise, in der das Land steckt, das die westliche Welt lenkt. … Es ist offenkundig, dass es sich bei der Kandidatur von Trump um die eines Häretikers handelt. Er rüttelt an dem politisch-religiösen Demokratie-Glauben in Amerika. Das Problem sind die Millionen von Amerikanern, die von dem Ketzer begeistert sind.“
Europa wäre gegen Trump immun
Warum es ein Politiker wie Donald Trump in Europa nicht an die Spitze schaffen würde, analysiert Die Zeit:
„Ganz grob: In Europa müssen die Frustbürger eine neue Partei gründen, zum Beispiel die AfD. In Amerika können sie eine alte kapern – just wie es ihr Mann Trump geschafft hat und fast auch der 'Sozialist' Sanders. Ein Freibeuter würde in Europa unweigerlich in den Parteigremien hängen bleiben. Und wenn ihm der Coup doch gelänge? Anders als das amerikanische gibt das europäische Wahlsystem keine absoluten Mehrheiten her, sondern nur Koalitionen. Ein Trump, der eine Altpartei kaperte, würde spätestens am Kartell der Etablierten scheitern. Und draußen kann man nur lärmen, nicht mitregieren. Doch im US-Zweiparteiensystem könnte ein Trump tatsächlich Präsident werden und die Republik umkrempeln. Europa, du hast es besser. Es entstehen keine klaren Mehrheiten; folglich 'zentriert' sich das System von selber. Langweilig, aber stabil. Wenn da nicht Österreich, Ungarn und Polen wären ...“
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