Was will Ankara in Mossul erreichen?
Nach Angaben Ankaras hat das türkische Militär in die Mossul-Offensive eingegriffen und IS-Stellungen beschossen. Bagdad allerdings lehnt eine Beteiligung der Türkei an der Offensive vehement ab und dementierte die Berichte umgehend. Die Presse schaut besorgt in die Krisenregion im Nordirak und fragt sich, welche Ziele die Türkei dort verfolgt.
Wer in Mossul ist, kontrolliert die Region
Die Türkei will Teil der Offensive auf Mossul sein, weil dort über die künftigen Machtverhältnisse in der Region entschieden wird, erklärt die regierungstreue Tageszeitung Star:
„Wer morgen Mossul kontrolliert, wird auch die [nordirakische] Region von Tal Afar bis Sindschar kontrollieren. Wenn also nur die irakische Armee oder die vom Iran unterstützten schiitischen Milizen der Bagdader Führung und die [kurdische] YPG/PKK in Mossul einmarschieren, wenn dadurch Turkmenen, Kurden, die [den nordirakischen Kurdenführer] Barzani unterstützen, und ein großer sunnitisch-arabischer Bevölkerungsteil zur Migration gezwungen werden, wird das sowohl Mossul an Bagdad binden, als auch die Region bis Sindschar unter die Kontrolle der YPG/PKK stellen. ... Vor allem deshalb will die Türkei an der Mossul-Operation teilnehmen und will sie auch, dass die Peschmerga dabei sind. Damit Mossul den Mossulanern, Tal Afar den Turkmenen und die Sindschar-Berge den Jesiden bleiben. Sonst wird ein neues Kriegsgebiet entstehen, in dem sich Brüdervölker gegenseitig zerstören.“
Einmalige Chance, Sultan zu werden
Der türkische Präsident verfolgt im Nordirak einen klaren Plan, erläutert Corriere della Sera:
„Recep Tayyip Erdoğans 'neo-osmanische' Bestrebungen sind längst kein Geheimnis mehr. ... Doch in Mossul nimmt die türkische Wende Formen an. 'Wir haben eine historische Verantwortung in der Region', erklärt Erdoğan und bezieht sich dabei auf die zentrale Rolle, die Mossul für das Osmanische Reich vor dessen Zusammenbruch nach dem Ersten Weltkrieg hatte. Im Klartext: Die Türkei schaut schon auf die Zeit nach der IS-Miliz, auf die Auflösung der Grenzen, die vor einhundert Jahren von Frankreich und England gezogen wurden. Sollte die Schlacht um Mossul das Ende der IS-Miliz einläuten, ist Erdoğan entschlossener denn je, bei der Festlegung neuer Grenzen mitzureden. Die Gelegenheit ist für ihn einmalig. Atatürk, der Vater der Türken, versuchte, den Briten Mossul zu entreißen - ohne Erfolg. Sollte es Erdoğan gelingen, Einfluss auf das Schicksal der Stadt zu nehmen, wäre er wirklich der neue Sultan.“
Erdoğan spricht dem Völkerrecht Hohn
Für die Frankfurter Rundschau ist Ankara zu weit gegangen:
„Die Türkei [hat] damit eine gefährliche Eskalation in Gang gesetzt, die dem Kampf gegen den IS schaden kann. Ankara handelt gegen den Willen der Regierung in Bagdad, die die Anwesenheit türkischer Soldaten im Land als 'Besatzung' betrachtet. Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat mehrfach betont, dass die Türkei das Recht habe, in Nachbarländern zu intervenieren, wenn ihre Sicherheit bedroht sei. Diese Selbstermächtigung spricht dem Völkerrecht Hohn und könnte sich übel rächen. Sie verstärkt die sektiererischen Gegensätze im Irak. Zudem überhebt sich die Türkei, wenn sie neben dem Kurdenkonflikt in Südostanatolien und der Intervention in Syrien noch eine dritte militärische Front im Irak aufmacht.“