Scheitert Orbán mit seinem Kurs gegen Migranten?
Nach dem gescheiterten Referendum gegen EU-Flüchtlingsquoten konnte Ungarns Premier Orbán sein Anti-Flüchtlingsgesetz auch nicht durch das Parlament bringen. Die rechtsextreme Jobbik-Partei versagte ihm die Zustimmung, weil er ihre Bedingung eines Verkaufsstopps von Aufenthaltsgenehmigungen an reiche Ausländer nicht akzeptieren wollte. Orbán strauchelt über die Migrationspolitik, meinen einige Kommentatoren. Für andere könnte er hingegen gestärkt aus der Konfrontation hervorgehen.
Regierung hat sich verkalkuliert
Die Niederlage im Parlament untermauert das Scheitern der Orbánschen Migrationspolitik, resümiert Politologe Gábor Török auf seinem Blog Törökgáborelemez:
„Wenn es das Ziel der Regierungspartei Fidesz war, einerseits effektiv gegen die Migration vorzugehen, und andererseits jene Ziele zu erreichen, die sie im Zuge ihrer Kampagne in puncto Flüchtlingspolitik formuliert hat, dann stellt die jetzige Schlappe im Parlament - zusammen mit dem ungültigen Referendum vom 2. Oktober - die Regierungspolitik der vergangenen Monate grundlegend infrage. Es ist schwierig, dagegen zu argumentieren: Die Ergebnisse einer mehrere Monate dauernden und beträchtliche Budgetmittel verschlingenden politischen Kampagne sind - vorerst - eine ungültige Volksabstimmung und eine fehlgeschlagene Verfassungsänderung. Aufgrund dieser Situation sind Orbán und der Fidesz auf jeden Fall gescheitert.“
Abstimmung setzt Jobbik unter Druck
Trotz des gescheiterten Plans für eine Verfassungsänderung könnte Orbán gestärkt aus dem Streit hervorgehen, glaubt hingegen die Neue Zürcher Zeitung:
„Die Regierung tut alles, um Quoten und [die Jobbik-Forderung nach einem Stopp der] Aufenthaltsbewilligungen [für reiche Ausländer aus Russland, China und dem Nahen Osten] als zusammenhangslos und den Widerstand von Jobbik als unpatriotisch darzustellen. Auch kann der Fidesz darauf verweisen, dass die Rechtsextremen stets selbst eine Verfassungsänderung gefordert hätten und ihre Kehrtwende sie unglaubwürdig mache. Erklärungsbedarf hat nun primär Jobbik. Orbán hingegen könnte am Ende gestärkt aus der Konfrontation hervorgehen, erscheint er doch vielen als einzig 'wahrer' Patriot im rechten Lager.“
Orbáns Macht noch ungebrochen
Dass die Linken und die Liberalen ebenso gegen Orbáns Flüchtlingspolitik stimmten wie die rechtsextreme Jobbik, ist leider kein Zeichen für eine starke Opposition in Ungarn, bedauert die Frankfurter Rundschau:
„Die Macht von Orbáns Regierungspartei Fidesz ist äußerst stabil, weil sie sich nur mit zwei schwachen Oppositionsgruppen auseinandersetzen muss: einer auf der linken und einer auf der extrem rechten Seite des Spektrums. Deren Abstand voneinander ist so groß, dass politische Bündnisse oder auch nur Absprachen ausgeschlossen sind. Die Neofaschisten, die längst zweitstärkste politische Kraft sind, haben nun andere Ambitionen. Orbán dachte, er kontrolliere die extreme Rechte, er könne sie benutzen, wenn er sie braucht. Das funktioniert nicht mehr. Der Auftakt für einen Machtkampf der Rechten in Ungarn ist gesetzt. Jobbik tritt an, Orbán die Alleinherrschaft zu entreißen. Davon ist die Partei noch weit entfernt, aber das nächste Mal wird erst 2018 gewählt.“