Profitiert Europas Rechte von Trumps Triumph?
Während europäische Rechtspopulisten die Wahl Donald Trumps bejubeln, bieten ihm Spitzenpolitiker in der EU pragmatisch die Zusammenarbeit an. Einige Kommentatoren fürchten, dass Politiker wie Le Pen und Wilders sich vom Wahlsieg Trumps inspirieren lassen. Andere erklären, warum ihre Hoffnungen enttäuscht werden.
Rechte Populisten werden sich noch wundern
Der Jubel europäischer Rechter über Trumps Sieg wird ihnen bald schon im Halse stecken bleiben, prognostiziert Večernji list:
„Das angloamerikanische Establishment hat mit seiner liberalen Ökonomie die Menschen geschaffen, die für den Brexit und Trump gestimmt haben. Das hat nichts mit der neofaschistischen Politik von Marine Le Pen zu tun, die es nie geschafft hat, in Frankreich an die Macht zu kommen. Ebenso wenig mit Salvini und seiner Lega Nord, die mit Berlusconi an der Macht war. Außer dem Lärm, den sie machen, haben sie nichts mit dem Trumpismus gemein. Trump vertritt die enttäuschte Generation, die nach 2008 verarmte. Le Pen, Salvini und die anderen vertreten xenophobe Nationalisten, die es schon immer gibt. Auch Orbán hat nichts auf Trumps Karren zu suchen, auf den er aufgesprungen ist. Trump wird nicht den Kongress ignorieren und Referenden ausschreiben. Ebenso wenig wird er Journalisten, so sehr sie ihn auch verärgern mögen, wie Putin und Erdoğan einfach einsperren lassen.“
Am Ende könnte die Vernunft siegen
Künftig wird es noch mehr populistische Wahlkampagnen geben, doch vielleicht reichen den Wählern eines Tages einfache Antworten nicht mehr, spekuliert Iltalehti:
„Sowohl die britische Brexit-Kampagne als auch Trumps Wahlkampf werden Vorbild für die Wahlen sein, die in den nächsten Jahren in Finnland und Europa stattfinden. Ganz sicher werden einige Parteien versuchen, ihren Wahlsieg mit Hilfe derselben Themen zu erreichen, also der Ablehnung der Eliten, Angst vor Fremden und Protektionismus. … Die Frage ist nur, wie lange die Wähler einfache Botschaften schlucken werden, insbesondere wenn sich nach der Machtübernahme herausstellt, dass es für komplizierte Probleme keine einfachen Antworten gibt.“
Problem der repräsentativen Demokratie
Von Trumps Wahlsieg können Rechtspopulisten in Europa profitieren, erklärt De Standaard:
„Nach dem Brexit-Referendum und vor allem nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten kann man nicht mehr leugnen, dass es ein Problem der repräsentativen Demokratie gibt. ... Wahlsysteme errichten hohe Hürden gegen extreme Bewegungen. Aber wenn der Druck hoch genug ist und der richtige Führer erscheint, ist ein Dammbruch nicht ausgeschlossen. Trump wird viele Wähler, die weder Chancen noch Sicherheiten haben, im kommenden Wahljahr in Europa inspirieren. In den Niederlanden, Frankreich und Deutschland stehen rechtsradikale Führer bereit, um auf seiner Welle mitzusurfen. ... Nach der unwahrscheinlichen Erfolgsstory von Trump ist nichts mehr undenkbar.“
Politische Korrektheit hat ausgedient
Die Tage der selbstgefälligen und politisch korrekten Phrasendrescherei in der Politik sind gezählt, meint Sega mit Blick auf Trumps Wahlsieg in den USA:
„In der westlichen Welt macht sich der Wille breit, den immer gleichen, sich selbst reproduzierenden und selbstgefälligen politischen Eliten den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Die Menschen wählen nicht bloß aus Protest, sondern um sich wieder selbst zu vergewissern, dass sie existieren und dass ihre Meinung etwas wert ist. … Die Wahlen in den USA und in Europa zeigen, dass den Wählern die geheuchelte politische Korrektheit der Eliten zum Hals heraus hängt. Angesichts der verstärkten populistischen Tendenzen in Europa dürfte es kaum jemanden überraschen, wenn nächstes Jahr Le Pen die Wahlen in Frankreich gewinnt.“
Lehre für Europas Linke
Europa kann aus der Niederlage der US-Demokraten lernen, kommentiert die linke Tageszeitung Avgi:
„Vielleicht ist es nicht zu spät für die französischen Sozialisten, die deutschen und die österreichischen Sozialdemokraten, die sich demnächst Wahlen stellen werden. Sie könnten aus den Fehlern der Demokraten lernen. Sie sollten aufhören zu behaupten, dass es keine Alternative zu diesem System gibt, das die Reichen reicher und die Armen ärmer, die Schwachen für die Fehler der Eliten verantwortlich macht. Sie sollten sich nach links wenden. Wenn sie den Sieg von Trump als ein klares Signal verstehen, gibt es Hoffnung. ... Ansonsten wird sich die gestrige Freude von Le Pen und anderen Rechtsextremen über Trumps Sieg in Kürze in die Feiern für ihre eigenen Siege verwandeln.“
EU braucht nun politische Einheit
Die Wahl von Trump zwingt Europa zum Umdenken, mahnt Avvenire:
„Europa steht nun, ohne das amerikanische 'Protektorat', das nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet wurde, schlicht und ergreifend vor der Aufgabe, sich wieder seiner Geschichte zu bemächtigen. Weniger als Akteur im wirtschaftlichen Globalisierungsprozess denn als vollwertige politische Gemeinschaft. Europa muss zu etwas werden, was einem echten europäischen Staatenbund ähnelt. ... Mit anderen Worten: Der Brexit und die Wahl Trumps zeigen, dass Europa zu sehr als Player der Globalisierung auftritt, während zugleich eine Art Ent-Globalisierung im Gange ist. Doch als [politische] Schicksalsgemeinschaft ist die EU zu schwach. Bis heute schien ein echter verfassungsgebender Prozess in Europa reine Utopie. Doch die Wahl von Trump könnte dafür die Voraussetzung geschaffen haben.“