Bulgarien und Moldau auf Kurs Richtung Moskau?
Die Präsidentschaftswahlen in Bulgarien und der Republik Moldau hat am Sonntag jeweils ein Kandidat gewonnen, der als prorussisch gilt. In Bulgarien siegte Oppositionskandidat Rumen Radew - woraufhin Premier Borisov seinen Rücktritt ankündigte. Moldaus neuer Präsident Igor Dodon will für seinen ersten Staatsbesuch nach Moskau reisen. Damit rücken in diesen Tagen beide Länder in den Fokus der Presse.
Brüssel lässt die Schwächsten im Stich
Die Bürokraten in Brüssel haben die Erfolge der pro-russischen Kandidaten selbst verschuldet, kritisiert Observador:
„Diese Siege sind ein Zeichen dafür, dass die EU sich mehr und mehr auf eine Gruppe von Bürokraten in Brüssel reduziert, die nur für wenige und sich selbst regiert und dabei die schwächsten Mitgliedsländer im Stich lässt. ... Moldau hatte seit einigen Jahren politische Führer, deren zentrales Ziel in der Außenpolitik die Annäherung an EU und Nato war. Das aber hat nicht genügt, um die schwerwiegenden sozialen und wirtschaftlichen Probleme des Landes zu lösen. Bulgarien ist bereits Teil der EU, aber die Probleme dort sind ähnlich. Sie führen dazu, dass der 'europäische Traum' für Moldauer und Bulgaren seinen Zauber verliert. Brüssel und die Brüsseler Bürokratie machen denen, die vor der Tür der EU warten, Versprechungen aller Art (nicht nur Moldau, sondern auch Georgien, der Türkei und der Ukraine), aber gehen keinen Schritt weiter. … Wie lange wird diese Unvernunft noch andauern?“
Nicht beide Länder in einen Topf werfen
Darüber, dass Bulgarien und Moldau nach den Präsidentenwahlen über einen Kamm geschoren werden, ärgert sich das Onlineportal Webcafé:
„Rumen Radev unterscheidet sich grundlegend von Igor Dodon, der die Wahl mit dem Versprechen gewonnen hat, Moldau in die Eurasische Wirtschaftsunion zu integrieren, in der sich Russland und seine ehemaligen Satellitenstaaten zusammengeschlossen haben. Moldau gehörte bis 1991 zur UdSSR und zehn Prozent der Bevölkerung sind Russen. … Dodon will als erstes Moskau besuchen. Radev hat angekündigt, als erstes [eine von Rumäniens obersten Korruptionsbekämpferinnen] Monica Macovei für einen Erfahrungsaustausch in Sachen Justizreform zu besuchen. Übrigens feiert Bulgarien in ein paar Monaten sein zehnjähriges Jubiläum in der EU und übernimmt 2018 sogar den EU-Ratsvorsitz. Soviel zu Klischees und Befangenheit, die offensichtlich nicht nur im bulgarischen Journalismus ein Problem sind.“
Kleinstaaten zwischen Ost und West aufgerieben
Als Opfer eines neuen Ost-West-Konflikts sieht die Neue Zürcher Zeitung Moldau und Bulgarien:
„Die in beiden Ländern mit einem linkspopulistischen, prorussischen Programm aufwartende Opposition hat sich den Volkszorn zunutze gemacht. Verstärkt wird die Hinwendung zu Russland paradoxerweise durch die demografischen Effekte der Westbindung: Der qualifizierte und europäisierte Bevölkerungsteil wandert ab in die EU, zurück bleiben die Alten, Armen und Russlandfreundlichen. Für sie stehen die sozialistische Ära und die Anlehnung an Russland für Stabilität und einen bescheidenen Wohlstand, die ihnen auch die neuen Präsidenten, der stramm moskautreue Igor Dodon in der Moldau und der hemdsärmlige ehemalige Luftwaffenchef Bulgariens Rumen Radew, versprechen. ... Das Dilemma der Kleinstaaten ist dennoch real. Sie werden durch den sich zuspitzenden geopolitischen Konflikt zwischen Ost und West zunehmend aufgerieben. EU und USA tun gut daran, dieses ernst zu nehmen.“
Ein weiteres Geschenk für Putin
Erneut hat Moskau Grund zur Freude, kommentiert Journalistin Katarzyna Zuchowicz auf ihrem Blog bei naTemat die beiden Wahlen:
„Eine knappe Woche nach den US-Wahlen freut sich Moskau über eine weitere Überraschung. Dieses Mal haben die Wähler in Bulgarien und Moldau Putin ein besonderes Geschenk gemacht: In beiden Ländern übernehmen prorussische Präsidenten das Amt. 'Ein weiterer Sieg für Putin', wettern die Kommentatoren. Denn es sei immer mehr zu sehen, wie in Europa die Sympathien für die EU schwinden. Und Putin kann daraus ganz einfach seinen Nutzen ziehen. Moldau ist nicht in der EU und zudem sehr von Russland abhängig. Trotzdem haben dort seit 2009 proeuropäische Kräfte regiert, die die West-Integration wollten. ... Doch die Entwicklungen in dem Land gehen nur sehr langsam voran und die Leute haben die Geduld mit der EU verloren. Und es gab Korruptionsskandale, an denen proeuropäische Politiker beteiligt waren. Moldau hat einfach genug.“
Wähler haben nicht prorussisch entschieden
Die Präsidentenwahlen in Bulgarien und der Republik Moldau sind nur auf den ersten Blick prorussisch ausgegangen, stellt die Frankfurter Allgemeine Zeitung fest:
„Sie waren nicht in erster Linie geopolitische Entscheidungen, sondern Protestvoten gegen eine politische Klasse, die von der Bevölkerung als korrupt angesehen wird. Was die politische Lage betrifft, so sind die Unterschiede zwischen beiden Ländern groß, aber in beiden Fällen ist ein Muster erkennbar: Der Vorwurf der Moskau-Orientierung wurde im innenpolitischen Streit so lange als Waffe von Kräften eingesetzt, die damit ihre eigenen Mängel verschleiern wollen, bis die damit verbundenen Ideen beschädigt waren. Weiter reichen die Parallelen freilich nicht: In Moldau ist der 'prorussische' Sieger nicht nur der Mann des Kremls, sondern auch der einheimischen 'prowestlichen' Oligarchen, während Bulgariens neuer Präsident sich klar zur Westorientierung des Landes bekennt.“
Die Zukunft Moldaus ist europäisch
Neuer Präsident der Republik Moldau ist der Sozialist Igor Dodon, er erhielt am Sonntag rund 52 Prozent der Stimmen. Seine pro-europäische Konkurrentin Maia Sandu kam auf rund 48 Prozent. Doch sie ist die eigentliche Gewinnerin, meint Politikexperte Sorin Ionita im Blogportal Contributors:
„Es gibt derzeit in Europa keinen Kandidaten und keine Bewegung, die in weniger als einem Jahr ohne Ressourcen und ohne Zugang zu den traditionellen Medien aus dem Stand heraus auf 38 Prozent im ersten Wahlgang und 48 Prozent im zweiten Wahlgang gekommen ist. Das beweist, dass die moldauischen Bürger buchstäblich verwestlicht sind, wenngleich bislang nicht mehrheitlich. Es beweist, dass die Annäherung an die EU funktioniert, dass die Politik einer Öffnung von Chişinău hin zur EU Ergebnisse bringt und dass ihr die Zukunft gehört. Vorausgesetzt, dass das Land sich in Frieden entwickeln kann, ohne dass von außen eine politische Katastrophe erzeugt wird. Dodon hat im Heute und in Transnistrien gewonnen, Maia Sandu hat die Zukunft und Europa gewonnen.“