Patt nach Wahl in Mazedonien
Nach der Parlamentswahl in Mazedonien haben die beiden stärksten Parteien den Sieg jeweils für sich reklamiert. Die nationalkonservative Regierungspartei VMRO liegt mit 38,1 Prozent knapp vor der oppositionellen sozialdemokratischen SDSM mit 36,7 Prozent. Kommentatoren befürchten eine langwierige Blockade in dem Balkanland, auf das die EU große Hoffnungen gesetzt hat.
Mazedonien droht spanisches Szenario
Der knappe Ausgang der Wahl ist für Mazedonien ein denkbar schlechtes Ergebnis, urteilt Dnevnik:
„Wenn es nicht zu großen Veränderungen in den Köpfen der führenden Politiker kommt, werden entweder neue faule Kompromisse geschlossen, um die Macht zu übernehmen (oder zu halten). Oder eine politische Blockade in Mazedonien führt zu Neuwahlen und einer Wiederholung des spanischen Szenarios auf dem Balkan. Mazedonien hat weder viel Zeit noch Spielraum. Veränderungen, keine kosmetischen, sind eine Frage des Überlebens. Im Land funktioniert der Großteil der Institutionen - vor allem die Medien, die Polizei und die Justiz - auf Basis parteilicher und familiärer Beziehungen.“
EU braucht einen Erfolg auf dem Balkan
Für die EU steht in Mazedonien einiges auf dem Spiel, beobachtet die Neue Zürcher Zeitung:
„Für die EU ... geht es in Mazedonien darum, nach langer Zeit einen Erfolg ihrer Diplomatie auf dem Balkan vorweisen zu können. Ihr Ansehen und ihr Einfluss haben in den letzten Jahren abgenommen. Denn jedermann weiss, dass in den Hauptstädten keinerlei Absicht besteht, die Erweiterung auf der Balkanhalbinsel in absehbarer Zeit fortzusetzen. Stattdessen begnügt sich Brüssel mit Kriseninterventionen zur Stabilisierung. In Mazedonien lancierte die EU ein interessantes Experiment: Die unabhängigen Staatsanwälte der Sonderbehörde sollen als Agenten des politischen Wandels wirken, indem sie die korrupten Seilschaften des Systems aus dem Verkehr ziehen [im Sommer 2015 installierte Mazedonien mit Hilfe der EU eine Sonderstaatsanwaltschaft zur Untersuchung einer Abhöraffäre]. Ob das gelingt, ist noch ganz offen. Allerdings hat Europa daneben auch ein handfestes Interesse an einem funktionierenden Staat in Mazedonien: Skopje ist der Türwächter auf der Balkan-Flüchtlingsroute.“
Albaner gewinnen unverhofft Einfluss
Durch das Patt der großen Parteien könnten die albanischen Minderheitenparteien zum Königsmacher werden, was ihre Macht vergrößern würde, erklärt Standart:
„Und das, obwohl die albanischen Parteien wegen der hohen Wahlbeteiligung [68 Prozent, ein Rekordwert] weniger Abgeordnete im Parlament haben werden als bislang. ... Im Wahlkampf hatten die verschiedenen albanischen Parteien zahlreiche Forderungen. Sie reichten von der Einführung des Albanischen als zweite Amtssprache über die Föderalisierung Mazedoniens bis hin zur Umwandlung Mazedoniens in einen multiethnischen Staat. ... Welche der beiden mazedonischen Parteien nun an die Macht kommt, liegt in der Hand der albanischen Parteien, die mit ihren Stimmen nicht nur die nächste Regierung bestimmen werden, sondern auch, welche Politik sie machen wird.“