Schwimmunterricht auch für Musliminnen Pflicht
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am Dienstag entschieden, dass Musliminnen vor ihrer Pubertät am gemischten Schwimmunterricht teilnehmen müssen. Dagegen hatten muslimische Eltern aus der Schweiz geklagt. Kommentatoren begrüßen das Urteil, warnen allerdings davor, ihm zu viel Bedeutung beizumessen.
Einzelfall nicht für Kulturkampf missbrauchen
Dem Urteil des europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sollte man nicht zu viel Bedeutung beimessen, findet Spiegel Online:
„An deutschen Großstadtschulen ist es längst Alltag, dass muslimische Schülerinnen beim Baden einen Burkini tragen - wenn denn überhaupt noch Schwimmunterricht angeboten wird. Dass dieser deutschlandweit schleichend von den Stundenplänen verschwindet, ist ein Thema, das Aufregung verdient. Der Fall aus der Schweiz verdient sie nicht. ... Doch wenn es um muslimische Schüler geht, erregen sich die Gemüter sofort. Heute wird der Schwimmunterricht oder der Handschlag verweigert, morgen die Scharia eingeführt, so die Argumentation. Diese Befürchtungen sind unbegründet. Denn die Schüler, die ihrer Lehrerin nicht die Hand geben, oder die Eltern, die ihre Tochter nicht zum Schwimmen schicken, sind Einzelfälle. Dass diesen nicht nachgegeben wird, ist richtig. Aber dass so getan wird, als stünden sie für etwas Größeres, für die Islamisierung Europas - das ist Unsinn.“
Urteil entschärft die Debatte
Das Urteil des EGMR ist in mehrerer Hinsicht begrüßenswert, meint Le Temps:
„Es bestätigt zum einen den Vorrang des Interesses der Allgemeinheit vor individuellen Anliegen: Die Integration und die Sozialisierung der Kinder stellt - unabhängig von deren Herkunft, Kultur und Religion - ein übergeordnetes gesellschaftliches Ziel dar. Die Integrationsaufgabe der Schule wird somit nachdrücklich bestätigt. Im nun abgesteckten Rahmen können Freistellungen nur als Ausnahme erfolgen. Und die Glaubensfreiheit tritt logischerweise in den Hintergrund. In den europäischen Gesellschaften, die vor der Herausforderung stehen, neue Mitbürger aufzunehmen, hat das Urteil zudem eine politische Wirkung. In der Schweiz instrumentalisiert die nationalistische Rechte die Ängste, die mit dem verbunden sind, was sie als 'zunehmende Islamisierung' der Gesellschaft bezeichnet. … In diesem Kontext dürfte die Entscheidung des EGMR einen beruhigenden Effekt haben.“