Richtungssuche auf EU-Gipfel in Brüssel
Auf dem EU-Frühjahrsgipfel in Brüssel wollen die Staats- und Regierungschefs über die Wirtschaft in der Union beraten und sich zu weiteren Strukturreformen bekennen. Zudem steht das von Kommissionschef Juncker präsentierte "Weißbuch" auf der Agenda. Europas Presse betont, wie dringend nötig konstruktive Vorschläge zur Zukunft der EU wären, zeigt sich aber von Junckers Szenarien eher enttäuscht.
Verschiedene Tempi nutzen nur Wenigen
Eine Lösung für die künftige Gestaltung der EU, die allen Mitgliedstaaten weiterhelfen würde, ist nicht in Sicht, bedauert Dnevnik:
„Ein Europa verschiedener Geschwindigkeiten bringt noch mehr Verwirrung. Es bedeutet auch ein stärkeres Suchen nach verschiedenen staatlichen Bündnissen, was die EU weiter spalten würde. Dann können wir eine gemeinsame EU-Außenpolitik und eine einflussreichere Position des Bündnisses in der Welt vergessen und nur hoffen, dass die Stabilität der Eurozone erhalten bleibt. Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche, dass die EU - so gespalten wie sie jetzt ist - nicht weitermachen kann. Denn ein Weitermachen käme einem qualvollen Tod auf Raten gleich. Doch auch ein Europa verschiedener Geschwindigkeiten bringt - zumindest für den Moment - keine Erlösung für alle 27 Mitgliedstaaten nach dem Austritt Großbritanniens. Es bringt nur eine Erlösung für eine Handvoll Staaten und ihre willigen Satelliten.“
Zusammenarbeit schwer zu koordinieren
Ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten birgt viele praktische Schwierigkeiten, konstatiert Dagens Nyheter mit Blick auf den EU-Gipfel:
„Die EU-Kommission beschreibt eine Zukunft, in der die Mitgliedsländer Koalitionen für eine vertiefte Zusammenarbeit auf bestimmten Gebieten eingehen können. Einige können in Fragen der Steuerschlupflöcher zusammenarbeiten, andere in Fragen der Verteidigung. Wieder andere bauen vielleicht eine Art europäisches FBI auf. ... Die zentrale Frage bei solch vielen verschiedenen Kooperationsabsprachen ist doch, wie sie zu koordinieren sind. Was nützt ein europäisches FBI, wenn nur Portugal, Finnland und Rumänien mitmachen? Kleinere Länder werden in einer EU mit parallelen Absprachen an Einfluss verlieren. Geniale Alternativen finden sich also keine in den Vorschlägen der EU-Kommission.“
Europa braucht eine Beschäftigungsunion
Die EU sollte ihre Erfolgsgeschichte nun auf dem Gebiet der Beschäftigung fortschreiben, empfehlen Vertreter des französischen Rats für Wirtschaftsanalysen in La Tribune:
„Die Weltlage fordert uns auf, stärker zusammenzurücken und nicht das aufzulösen, was in sechzig Jahren Integrationsanstrengungen vollbracht wurde. … Nach der Banken- und Finanzmarktunion muss Europa eine Beschäftigungsunion in Angriff nehmen und ein ehrgeiziges Konvergenzprogramm für die Arbeitsmärkte auf den Weg bringen. Dazu gehören insbesondere eine Angleichung der Sozialgesetzgebungen oder die Einführung eines europäischen Arbeitsvertrags, die Verbesserung der Berufsausbildung, die Entwicklung von Informationssystemen über Jobchancen, die Übertragbarkeit von Sozialversicherungsansprüchen und eine europäische Arbeitslosenversicherung.“