Kann Merkel Einfluss auf Trump nehmen?
Donald Trump und Angela Merkel treten sich erstmals persönlich gegenüber. Viele Beobachter hoffen, dass die Kanzlerin mit ihrem Besuch beim neuen US-Präsidenten positiven Einfluss auf diesen ausübt, indem sie liberale Werte und transnationale Zusammenarbeit propagiert. Andere glauben, dass Merkel sich auch an Trump ein Beispiel nehmen kann.
Kanzlerin hat US-Präsident einiges zu sagen
Dagens Nyheter hofft, dass Merkel für die Einhaltung der demokratischen Werte eintreten wird:
„Derzeit gibt es ein Tauziehen innerhalb der Trump-Administration. Es gibt die Dunkelmänner, die Protektionismus wollen und einen Kreuzzug gegen Muslime führen, aber auch diejenigen Republikaner, die mit dem traditionellen Blick der Partei auf Freihandel und Sicherheitspolitik schauen. Die Globalisierung hat ihre Schwächen, doch Welthandel ist der Motor des Wachstums. Die USA und Deutschland haben außerdem ein gemeinsames Interesse daran, das Chaos im Nahen Osten zu ordnen. Merkel steht für die demokratischen Werte. ... Sie kann daran erinnern, dass eine Mauer, die sie aus den DDR-Zeiten in Berlin kennt, eine schlechte Idee ist. Und daran, dass Ordnung, dieser alte deutsche Begriff, einem Chaos in der Weltarena vorzuziehen ist.“
Trump zum Europafreund machen
Merkel steht vor der großen Herausforderung, Trump von der Wichtigkeit der transatlantischen Zusammenarbeit zu überzeugen, kommentiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„Wenn es ihr gelänge, einen Draht zu Trump zu finden, der sie bekanntlich unflätig kritisiert hatte, und ein belastbares Arbeitsverhältnis herzustellen, wäre das keine Kleinigkeit. Unmittelbar nach Trumps Amtsantritt hatte ihn wiederum Merkel an den westlichen Wertekanon erinnert – sie wurde in den Stand der Gegenanführerin erhoben. Das mag schmeichelhaft sein, eine Herausforderin kann die Kanzlerin nicht sein, auch weil damit die Zerrissenheit der atlantischen Gemeinschaft offenkundig wäre. Die Aufgabe der Kanzlerin besteht vielmehr darin, auch diesen Präsidenten, in Zeiten großer Unsicherheit, vom Nutzen multilateraler Zusammenarbeit zu überzeugen und davon, dass die amerikanische Außenpolitik, was Europa anbetrifft, ein Erfolg war. Das gilt auch für Amerikas Patronage der europäischen Einigung.“
Duell mit dem Feind
Deutschland ist für Trump de facto ein feindliches Land, analysiert Lidové noviny:
„Es nimmt aus seiner Sicht Amerikanern die Arbeit weg, weil es die USA mit Mercedes überschwemmt, die Deutschen aber selbst keine Chevrolets kaufen. Deutschland nimmt die amerikanischen Sicherheitsgarantien in Anspruch, zahlt aber selbst nur wenig in die 'obsolete' Nato ein. Zudem ist Deutschland der letzte Pfeiler des liberalen Westens. ... Angesichts dessen wäre die Prognose für das Treffen also düster. Es gibt Politiker wie Martin Schulz, die in solchen Situationen emotional angreifen, doch damit nichts gewinnen. Und es gibt Politiker vom Typ Merkels, die ihre Ziele erreichen. Es wird interessant zu sehen, wie Merkel auf einen Mann mit den Machtinstinkten eines Donald Trump wirkt. Es würde nicht überraschen, wenn beide am Ende anerkennen, dass sie in derselben politischen Gewichtsklasse spielen.“
Wer wen bekehren sollte
In Sachen Wirtschaftspolitik sollte sich Merkel an Trump ruhig ein Beispiel nehmen, rät Il Sole 24 Ore:
„Während Amerika unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten bereits die zweite Runde dreht, sitzt Europa, aufgrund des deutschen Widerstands, noch immer in den Startlöchern. Statt über Russland und die Nato zu reden, sollte der amerikanische Präsident unermüdlich darauf beharren, dass Berlin endlich den Startschuss für eine expansive Fiskalpolitik [der Staaten] gibt. ... Die Wende wird erst eintreten, wenn Merkel einsieht, dass es ein Fehler war 'Europa unter Verschluss gehalten zu haben'. Sie wird gezwungen sein, die jüngsten US-Wirtschaftsdaten zur Kenntnis zu nehmen: Zwischen Januar und Februar hat Amerika knapp 500.000 neue Arbeitsplätze geschaffen, die Fed hat den Leitzins angehoben, und am gleichen Tag hat der Dow Jones um 0,5 Prozentpunkte zugelegt.“