Bundeswehr vor Abzug aus İncirlik
Die Bundesregierung hat sich dafür ausgesprochen, die im türkischen İncirlik stationierten deutschen Aufklärungsflugzeuge nach Jordanien zu verlegen. Ankara hatte sich zuvor bei einem weiteren Vermittlungsversuch von Bundesaußenminister Gabriel erneut geweigert, Parlamentariern einen Besuch bei den Soldaten in İncirlik zu erlauben. Wer musste im Machtpoker um das Besuchsrecht zurückstecken?
Gabriel war noch zu moderat
Der Abzug der Bundeswehr ist überfällig, meint tagesschau.de, kritisiert aber, dass Außenminister Gabriel der Türkei noch zu viele Zugeständnisse gemacht habe:
„Er gab indirekt zu, dass Deutschland nach dem Putschversuch vor einem Jahr zu wenig empathisch war und versicherte der Türkei, die Finanzströme der verhassten PKK genauer unter die Lupe zu nehmen. Beides kann man machen - aber vielleicht nicht genau an dem Tag, an dem man sich eine Abfuhr abgeholt hat. ... Gewinnbringend war der Pfingstmontag für den Außenminister wirklich nicht.“
Merkels Bluff ging schief
Mit ihrer Androhung eines Abzugs deutscher Soldaten hat sich Merkel in der vergangenen Woche selbst ein Bein gestellt, findet Hürriyet:
„Es ist unklar, welche über einen Bluff hinausgehende Absicht Merkel mit ihrer Drohung verfolgte, deutsche Soldaten nach Jordanien zu verlegen, nachdem der Zutritt in İncirlik verweigert wurde. Denn dieser Bluff ging schief. Der Abzug der deutschen Tornados interessiert die Türkei nicht und würde sich auch auf den Kampf gegen den IS nicht negativ auswirken, zumal ihr Beitrag von symbolischer Natur ist. Zudem kann es neue Probleme für Deutschland aufwerfen, in einem Nahost-Land wie Jordanien Flugzeuge und Soldaten zu stationieren, wenn bereits die Entsendung von Soldaten in einen Nato-Mitgliedsstaat wie die Türkei problematisch ist. Der Bundestag hat zuvor bereits in Afghanistan schlechte Erfahrungen gemacht. Zusammenfassend gesagt: Merkel zerreibt sich an ihrem fehlgeschlagenen İncirlik-Bluff.“
Abzug wäre das richtige Zeichen
Dass die deutsche Regierung einen Abzug der Truppen aus İncirlik erwägt, hält die Berliner Zeitung für richtig:
„Und zwar nicht allein, weil das Regime des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan deutschen Abgeordneten einen Besuch auf dem Stützpunkt wieder mal verbietet, obwohl die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist. Überhaupt hat Deutschland trotz der gemeinsamen Mitgliedschaft in der Nato mit der Türkei von heute nichts mehr gemein, schon gar keine Werte. Zuletzt wurde immer wieder ins Feld geführt, man wolle Schlimmeres verhüten - also eine Aufkündigung des Flüchtlingsabkommens oder ein Abdriften des Landes in Richtung Russland. Auch dürfe man die türkische Opposition - dies ist das gewichtigste Argument! - nicht im Stich lassen. ... Ein Abzug aus İncirlik wäre ein adäquates Mittel, um zu demonstrieren: Bis hierhin und nicht weiter!“
İncirlik ist nur ein Symptom
Deutsche Drohungen, die Truppen abzuziehen, sind nicht das eigentliche Problem, glaubt die Kolumnistin Beril Dedeoğlu in Daily Sabah:
„Diese Soldaten können leicht durch andere Nato-Truppen ersetzt werden. Ein solcher Schritt würde allerdings die türkisch-deutschen Beziehungen weiter verschlechtern. Genau wie die Völkermordfrage dient İncirlik nicht als Erklärung dafür, warum die Beziehungen zwischen beiden Ländern heute so schlecht sind. Man kommt nicht um die Frage herum, ob die Türkei ein ernstes Hindernis für eine Reihe von Zielen der deutschen Regierung geworden ist. ... Und natürlich dürfen wir nicht vergessen, dass die Reibungen zwischen der Türkei und Deutschland nicht unabhängig von den Entwicklungen des globalen Machtgefüges zu sehen sind.“