Sorgt der Fall Warmbier für Eskalation?
Nach dem Tod von Otto Warmbier wächst der Druck auf US-Präsident Donald Trump. Einflussreiche Republikaner fordern eine konsequente Reaktion auf den Tod des amerikanischen Studenten, der am Montag kurz nach dem Ende seiner anderthalbjährigen Haft in Nordkorea in seiner Heimat Ohio verstorben war. Europas Presse betrachtet die diplomatische Krise mit großer Sorge.
Gefährlicher Streit ungestümer Machthaber
Die schon vorher angespannte Lage zwischen beiden Ländern könnte jetzt außer Kontrolle geraten, fürchtet Le Figaro:
„Nachdem Nordkoreas atomare Flucht nach vorn den Konflikt mit den USA bereits verschärft hatte, droht das Drama um Otto Warmbier nun, die Spannungen weiter zu verschärfen. Denn der Fall lässt sich von den Falken im Weißen Haus ideal als Vorwand nutzen. Er bietet den nötigen emotionalen Funken, um in einer wegen der Raketentests über Nordostasien aufgeheizten Atmosphäre das Feuer zu entfachen. Wird es Donald Trump und Kim Jong-un gelingen, die Lage zu beruhigen? Diese beiden Kadetten, die sich dank ihres ungestümen Charakters an der Spitze ihrer jeweiligen Dynastie festsetzen konnten, teilen die gleiche Vorliebe für Paukenschläge und Schlagzeilen. Experten betonen, dass eine 'militärische Option' die gesamte Region in Brand setzen könnte. Deeskalation ist daher dringend nötig.“
Trump hat kaum Sanktionsmöglichkeiten
Die USA haben nur einen geringen Handlungsspielraum gegenüber Nordkorea, kommentiert Der Standard:
„Nordkoreas Regime hat den 22-Jährigen auf dem Gewissen. Eine rationale Strategie lässt sich dahinter kaum erkennen, schließlich hat sich Pjöngjang mit dem De-facto-Mord vor allem ins eigene Fleisch geschnitten. Die US-Regierung, die sich diese Woche mit der chinesischen Seite zu Verhandlungen trifft, wird auf strengere Sanktionen gegen Nordkorea pochen und ihre Isolationspolitik weiter forcieren. Dennoch täuscht die verbale Verurteilung durch Trump nicht darüber hinweg, dass der Spielraum für Sanktionen nahezu ausgereizt ist. Schließlich wird sich China nicht zwingen lassen, die für Pjöngjang wichtigen Öllieferungen einzustellen. Und einen militärischen Erstschlag wird Donald Trump nicht riskieren wollen.“
Chance für US-Präsidenten
Der Tages-Anzeiger glaubt, dass der Fall Warmbier dem US-Präsidenten sogar nützen könnte:
„Der angeschlagene US-Präsident, der seit Wochen im Sumpf der Russlandaffäre steckt, braucht Heldengeschichten. Vor allem aber braucht er neue Feinde, die von den lästigen Ermittlungen gegen Mitglieder seines Wahlkampfteams ablenken. Trump behauptet, er habe seinen Aussenminister Rex Tillerson persönlich beauftragt, die Freilassung des 22-jährigen Studenten voranzutreiben, was den Amerikanern dann auch gelang. Die Öffentlichkeit reagierte bestürzt auf die emotionalen Bilder des im Koma liegenden Warmbier, die Brutalität der nordkoreanischen Diktatur hatte plötzlich ein neues Gesicht. Schon werden die Rufe nach einer starken Hand lauter. Trump muss jetzt reagieren.“
Linke steht noch immer zu Pjöngjang
Nun wird für Dagens Nyheter immer unbegreiflicher, dass Teile der Linken im Westen noch immer das Regime in Nordkorea verherrlichen:
„Über Nordkorea schreibt die Kommunistische Partei [Schwedens] unter anderem: 'Wir schätzen Nordkoreas Standfestigkeit gegen den Imperialismus und für Frieden und Versöhnung auf der nordkoreanischen Halbinsel'. Die Jugendorganisation Revolutionäre Kommunistische Jugend ergänzt: 'Das nordkoreanische Beispiel zeigt, dass der Sozialismus trotz allem ein überlegenes System ist.' Es ist schwindelerregend, dass es 2017 immer noch Menschen im Westen gibt, die versöhnliche Züge in einem mit Atomwaffen ausgerüsteten Regime sehen, das das eigene Volk gefangen hält, foltert und aushungert. Der Irrweg der Linken offenbart sich durch deren Unterstützung für Diktaturen, wie die, die gerade Otto Warmbier ermordet hat.“