Entfacht die Google-Strafe einen Handelskrieg?
Die EU-Kommission hat Google eine Rekordstrafe von 2,42 Milliarden Euro aufgebrummt. Das Unternehmen benachteilige bei der Suche nach Shopping-Angeboten andere Preisvergleichsdienste und missbrauche damit seine Marktmacht. Die EU verteidigt ihre Identität und die Rechte der Verbraucher, jubeln einige Kommentatoren. Andere freuen sich gar nicht über die harschen Töne gegen den US-Konzern.
Brüssel probt moralische Wiederbewaffnung
Neben dem freien Wettbewerb geht es der EU auch um ein politisches Muskelspiel, erkennt La Vanguardia:
„Die Sanktion der EU ist eine eindeutige Absichtserklärung, die zeitlich mit einer Phase der 'moralischen Wiederbewaffnung' zusammenfällt, sowie mit dem Wunsch, das europäische Projekt erneut voranzutreiben, als Antwort auf den Brexit-Schreck und das von den Präsidenten Wladimir Putin und Donald Trump personifizierte feindliche Umfeld. ... Für diese Art von Herausforderung ist Trump Spezialist und man wird sehen, ob er bereit ist, sich für eine Einigung einzusetzen - Google könnte die Sanktion problemlos wegstecken - oder ob er stattdessen die Stimmung mit antieuropäischen Reden und Sanktionen aufpeitscht.“
Trump könnte sich provoziert fühlen
Die Mega-Geldstrafe für Google kommt zu einem schlechten Zeitpunkt und könnte den Handelskonflikt mit den USA anheizen, fürchtet De Volkskrant:
„Die Spannungen zwischen den großen Handelsblöcken nehmen zu, der Freihandel steht unter Druck, Wirtschaftsnationalismus ist auf dem Vormarsch. ... Auch wenn die Milliardenbuße gegen Google nicht den Freihandel einschränken, sondern unehrlichen Wettbewerb bekämpfen soll, ist es sehr gut denkbar, dass Donald Trump die Maßnahme als Komplott gegen Amerika auslegen wird. Er verdankt seine Präsidentschaft der Tatsache, dass er viele Wähler davon überzeugen konnte, die weltweit größte Wirtschaftsmacht sei auch das weltweit größte Opfer von unehrlichen Wirtschaftspraktiken anderer.“
Es geht nicht um Antiamerikanismus
Il Sole 24 Ore glaubt hingegen nicht, dass es der EU um einen Konkurrenzkampf mit den USA geht:
„Überzeugender ist die These, dass der Aktivismus der europäischen Behörden gegen die Plattformen Facebook, Google, Apple, Amazon und Microsoft die Folge einer Konfrontation zwischen der Mentalität der öffentlichen Hand und den digitalen Strukturen ist. Bei den Themen Privatsphäre, Wohlfahrtsstaat und somit Steuergerechtigkeit und Kartellrecht steht die Identität Europas auf dem Spiel. Insbesondere der Wettbewerb ist ein grundlegender Wesenszug der europäischen Konstruktion, analog zur Freizügigkeit. Dieses Prinzip kollidiert jedoch mit der Struktur der Plattformen, die, sind sie erfolgreich, dazu neigen, zu Monopolen zu werden. ... Die fünf Giganten des Web werden somit nicht von der EU belangt, weil sie amerikanisch, sondern weil sie digital sind.“
EU beschützt ihre Bürger
Nun kann die EU beweisen, dass sie auf Seiten der Verbraucher steht, freut sich der Tages-Anzeiger:
„Es ist diese EU, die der französische Präsident Emmanuel Macron wohl meint, wenn er von einem Europa redet, das beschützt. Am Beispiel vom Verfahren gegen Google kann die EU beweisen, dass sie einen Mehrwert bietet. Google ist immer der unheimliche Riese, der in allen Lebensbereichen Einfluss nimmt. Vielleicht fahren wir bald in Google-Autos, sehen die Welt durch Google-Brillen oder steuern die Heizung zu Hause von unterwegs. Da ist es gut, wenn jemand wie Margrethe Vestager daran erinnert, dass eine so dominante Marktposition, wie Google sie hat, auch mit Verantwortung verbunden ist.“