Reißt Drei-Meere-Initiative neue Gräben auf?
US-Präsident Trump hat als Stargast am Gipfel der Drei-Meere-Initiative in Warschau teilgenommen. Das Bündnis umfasst zwölf mittel- und osteuropäische EU-Länder, die an Ostsee, Adria und das Schwarze Meer grenzen und vor allem wirtschaftlich enger kooperieren wollen. Die Presse in den Ländern der Region bewertet das Bündnis sehr unterschiedlich.
Neuauflage eines alten Projekts
Gândul erklärt die Genese der Initiative und ihr Ziel:
„Die Idee des polnischen Präsidenten Andrzej Duda ist die wirtschaftliche Neuauflage des strategischen Projekts der Zwischenkriegszeit von Marschall Józef Piłsudski. Der wollte Polen und Litauen zusammenbringen, um sich gegen die russischen und deutschen expansionistischen Tendenzen zu wehren. Im Vergleich zum alten Intermarium-Projekt ist die Drei-Meere-Initiative eine Art Zusammenarbeit zwischen den mittel- und osteuropäischen Ländern in den Bereichen Transport und Energie. Die meisten Analysten sehen sie als eine erweiterte Visegrád-Gruppe. Dazu kommen Rumänien und die Ukraine sowie die baltischen Staaten, Finnland, Schweden und Norwegen. ... Die meisten Staats- und Regierungschefs der EU wiederum betrachten die Initiative eher als Versuch, die EU zu entzweien.“
Es könnte richtig teuer werden
Die Drei-Meere-Initiative, die vergangenes Jahr in Kroatien begründet wurde, könnte die teilnehmenden Staaten noch arg belasten, mahnt Novi list:
„Trump betonte großherzig: Wer immer Brennstoffe braucht, solle sich nur melden, denn die USA besäßen riesige Mengen davon. Schön, wenn die führende Weltmacht und ihr greller Präsident ehemals sozialistische Staaten unterstützen, die sich vom Schwarzen über das Adriatische bis zum Baltischen Meer erstrecken. ... Doch wer soll all das bezahlen? Es ist kein Geheimnis, dass die USA große Brennstoffmengen besitzen. Doch ist ihr Gas auch um ein Vielfaches teurer als russisches. Wir sollten unsere schwache Wirtschaft und den schlechten Lebensstandard nicht noch zusätzlich mit zu teuren US-Brennstoffen belasten.“
Ungarn als Brücke zwischen Ost und West
Im Osten Europas könnte Ungarn bald eine Schlüsselrolle zukommen, frohlockt die regierungsnahe Tageszeitung Magyar Hírlap:
„Die Region zwischen Deutschland und Russland gewinnt zunehmend an Gewicht. Die zwölf Länder, die für 22 Prozent der EU-Bevölkerung stehen, weisen heute das größte Wirtschaftswachstum der Union auf. In politischer, wirtschaftlicher, infrastruktureller und verteidigungspolitischer Hinsicht könnte die strategisch wichtige Region neben dem Tandem Berlin-Paris zu einem bedeutenden Machtfaktor in Europa werden. ... Der Motor der regionalen Zusammenarbeit ist eindeutig die Visegrád-Gruppe, in der Ungarn eine tragende Rolle innehat. Wenn Ungarn mutig, intelligent und ausdauernd ist, könnte das Land innerhalb dieser Region zu einer wichtigen Brücke und einem strategischen Knotenpunkt zwischen Ost und West werden.“