Eine neue bulgarisch-mazedonische Freundschaft?
Bulgarien und Mazedonien haben am 1. August einen Vertrag über gute Nachbarschaft unterzeichnet. Damit wollen sie ein neues, freundschaftliches Kapitel in den Beziehungen beider Länder eröffnen. Konkret ist unter anderem der Bau einer neuen Bahnverbindung geplant, aber auch die gemeinsame Geschichte soll aufgearbeitet werden. Medien beschäftigen sich mit den Chancen und Risiken des Vertrags.
Griechenland bleibt allein zurück
Die griechisch-bulgarischen Beziehungen werden unter der neuen Freundschaft Sofias mit Skopje leiden, prophezeit Kathimerini:
„In den letzten Jahren haben sich Bulgarien und Griechenland gemeinsam gegen den 'aggressiven Nationalismus' in Skopje gestellt, wie ihn [Ex-Premier] Gruevski betrieb, jedoch ohne eine 'antimazedonische Achse' zwischen Athen und Sofia zu errichten. ... Jetzt, nach der Unterzeichnung des viel besprochenen Pakts, 'bricht' die griechisch-bulgarische Front. ... Griechenland bleibt alleine mit seinen Klagen über eine 'irredentistische Politik' und die Verletzung der Regeln der 'guten Nachbarschaft' durch die Führer der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien (Fyrom).“
Positives Beispiel für den Balkan
Die Annäherung zwischen Bulgarien und Mazedonien könnte einen positiven Effekt auf andere Balkanstaaten haben, hofft Standart:
„Auf dem Balkan stecken viele Nachbarländer miteinander im Streit: Mazedonien streitet mit Griechenland über den Namen, Kosovo mit Montenegro über die gemeinsame Grenze und es gibt noch viele weitere Streitfragen, die zwar in Europa nicht besonders hoch auf der Tagesordnung stehen, aber die Entwicklung der gesamten Region behindern. Mit dem Vertrag über gute Nachbarschaft gehen Bulgarien und Mazedonien nun mit gutem Beispiel voran. ... Hoffentlich wird das auch anderen Balkanländern einen Anstoß geben. ... Wie man sieht, ist es gar nicht so schwer, sofern der politische Wille dazu da ist. Konkret könnte es nun Griechenland unter Druck setzen, eine konstruktivere Position in Bezug auf die Natomitgliedschaft Mazedoniens zu suchen.“
Mazedonien ist ein Unfall der Geschichte
Im Vertrag über gute Nachbarschaft verpflichten sich Bulgarien und Mazedonien dazu, Streitfragen über die gemeinsame Geschichte durch eine Expertenkommission beizulegen. Für Duma gibt es nichts zu klären:
„Kein Bulgare würde jemals glauben, dass es vor 1945 auf dem Gebiet, das über tausend Jahre mehrheitlich von Bulgaren bevölkert war, ein eigenständiges 'mazedonisches Volk' gab, das etwas anderes als einen Dialekt des Bulgarischen gesprochen hat. Man weiß, wie aufbrausend die Mazedonier reagieren, wenn man versucht, ihnen ihre bulgarische Herkunft zu erklären. Was wird also passieren, wenn Historiker zu dem Schluss kommen, dass bis 1945 die Mazedonier Bulgaren und die Bulgaren Mazedonier waren? Dass sie unter ein und demselben bulgarischen Himmel lebten und eine gemeinsame Geschichte teilten, bis 1945 ausländische Mächte entschieden, sie voneinander zu trennen?“
Zaev ist den Bulgaren etwas schuldig
Dass die neue Regierung in Skopje es so eilig hat, die Beziehungen zu Bulgarien zu verbessern, kommt dem Nachrichtenportal Kurir verdächtig vor:
„Ist es möglich, dass Zoran Zaev nach nur 15 Tagen im Amt nach Bulgarien fährt, [Premier] Borisov in die Arme fällt und ihm versichert, dass der Nachbarschaftsvertrag unterschrieben wird, ohne dass das im Vorfeld mit den bulgarischen Geheimdiensten abgesprochen war? ... Das zeigt doch, dass die bulgarischen Geheimdienste schon seit Jahren mit Zaev zusammenarbeiten und ihm geholfen haben, in Mazedonien an die Macht zu kommen. Jetzt wird erst deutlich, dass etwas dran ist am Gerücht, dass zwei Geheimdienste am Sturz der Vorgängerregierung beteiligt waren - einer von weiter her und einer aus den Nachbarländern. Und jetzt zeigt sich Zaev eben zunächst den Nachbarn erkenntlich.“
Zweifelhafte Kehrtwende der Sozialdemokraten
Dass ausgerechnet die mazedonischen Sozialdemokraten nun gute Beziehungen mit Bulgarien wollen, findet Nova Makedonija zynisch:
„Ob die bulgarischen Politiker und Bürger eigentlich wissen, wer in Mazedonien die Stimmung gegen sie jahrelang anheizte, sie schlechtmachte und das Bulgarentum als böse und niederträchtig beschimpfte, um seinen politischen Opponenten eins auszuwischen? ... Mit Sicherheit wissen sie nicht, dass es ausgerechnet diejenigen sind, mit denen sie jetzt einen Freundschaftsvertrag unterschreiben werden; diejenigen, die als Gefolgsleute Belgrads und der großserbischen Interessen anti-bulgarische Propaganda und Hass gegen die Bulgaren streuten und alle, die gegen sie waren, als Bulgaren und Drecksschweine beschimpften. Jawohl, die Sozialdemokraten sind diejenigen, die zwei Jahrzehnte lang auf der Welle antibulgarischer Propaganda ritten.“
Überraschende Annäherung
Endlich kommen die Streithähne zur Vernunft, freut sich 24 Chasa:
„Das gegenseitige Misstrauen zwischen Nachbarländern ist auf dem Balkan ein völlig natürliches Gefühl. Gegen die paranoide Schizophrenie, mit der wir in dieser Region leben, ist noch kein Kraut gewachsen und sie wird uns noch lange verfolgen. Daher fällt es einem fast schon schwer zu glauben, dass nach nahezu 20 Jahren sinnloser Streitereien Bulgarien und Mazedonien endlich wieder einen Schritt aufeinander zugehen.“
Zurück Richtung Europa
Mazedonien ist unter dem neuen Premier Zoran Zaev endlich wieder auf Europakurs, freut sich Adelina Marini auf ihrem Blog euinside:
„Mazedonien hatte angefangen wie ein schwarzes Loch auf dem Balkan zu versinken - nach langen Jahren unter der autoritären Führung der [rechtsnationalistischen Partei] VMRO-DPMNE und der darauf folgenden schweren politischen Krise, die über zwei Jahre anhielt und im blutigen Sturm auf das Parlament in Skopje Ende April ihren Höhepunkt erreichte. Seitdem hat sich viel getan. Das Land hat eine neue Regierung, die anfangs skeptisch beäugt wurde, doch mit Blick auf die letzten zwölf Jahre bereits riesige Fortschritte gemacht hat. Die wichtigste Aufgabe für Zoran Zaevs Regierung ist zunächst, das Vertrauen Griechenlands und Bulgariens zurückzugewinnen, um Mazedonien wieder auf den Weg nach Europa zu führen.“