Was können Nordkorea-Sanktionen bewirken?
Mit zusätzlichen Sanktionen soll Nordkorea von seinem Atomprogramm abgebracht werden. Der UN-Sicherheitsrat bereitete dafür am vergangenen Wochenende einstimmig den Weg. Für viele Kommentatoren aber greifen die Sanktionen zu kurz.
USA ignorieren Kern des Problems
Für Global Times setzt jede sinnvolle Maßnahme voraus, dass Verständnis für die Sicherheitsbedenken Nordkoreas gezeigt wird:
„Die USA ignorieren völlig, was Pjöngjang zu seinem Nuklearprogramm getrieben hat. ... Die Amerikaner sind offenbar nur schwer davon zu überzeugen, dass Sanktionen die Atomfrage nicht lösen können, wenn nicht gleichzeitig auf Pjöngjangs Sicherheitsbedenken eingegangen wird. ... Washington sollte ernsthaft in Betracht ziehen, was China mit seinem Vorschlag einer 'dual suspension' [Nordkorea gibt Atomtests auf, die USA und Südkorea ihre gemeinsamen Wehrübungen] und eines 'dual track' [Denuklearisierung plus Dialog] ins Spiel gebracht hat.“
Wieder nur Lippenbekenntnisse?
Nordkoreas Führung wird sich erst an den Verhandlungstisch setzen, wenn sie die Folgen der neuen Sanktionen schmerzlich spürt, ist Financial Times sicher:
„Sehr viel hängt nun davon ab, ob China, das als Nachbar und Schutzmacht den stärksten wirtschaftlichen Druck ausüben kann, und Russland auch wirklich dazu bereit sind, die Uno-Resolution durchzusetzen. Bei den bisherigen Sanktionen gab es von beiden ja nicht viel mehr als Lippenbekenntnisse. Sogar einige US-Verbündete waren bei der Durchsetzung nachlässig. ... Beim Umgang mit Nordkorea gibt es keine guten Optionen. Aber Sanktionen, verbunden mit der Hoffnung, sie mögen Kim an den Verhandlungstisch zurückbringen, sind von allen verbliebenen Möglichkeiten die beste.“
Langfristige Strategie fehlt völlig
Die Sanktionen werden nicht ausreichen, um Nordkorea zum Einlenken zu bewegen, fürchtet Helsingin Sanomat:
„Welche Schritte folgen könnten, um Nordkorea von seinem zerstörerischen Weg abzubringen, bleibt unklar. ... Zwar sind Nordkoreas Atomwaffen für China und Russland ein echtes Problem. Ein Problem wäre es für sie aber auch, wenn Nordkorea in den westlichen Einflussbereich gelangen würde. Würde Nordkorea mit Südkorea wiedervereinigt, entstünde eine gewaltige wirtschaftliche und menschliche Belastung. ... Weil es also keinen weiterführenden Plan gibt, setzt Nordkorea seine Drohungen fort.“
Einstimmigkeit nicht überbewerten
Die Neue Zürcher Zeitung weist darauf hin, dass Chinas Nordkorea-Politik jüngst Rückendeckung durch Russland bekam und beide Länder gemeinsam nicht nur Nordkorea, sondern auch Amerika vor provokativen Handlungen gewarnt haben:
„Fast scheint es, als hätten sich zwei gefunden. Dass Russland und China nun der amerikanischen Initiative für schärfere Sanktionen zugestimmt haben, darf deshalb nicht überbewertet werden. Würden diese konsequent umgesetzt, hätten sie für diese beiden Länder unerwünschte Folgen. Das muss nicht einmal der Kollaps des Regimes sein; schon mehr Flüchtlinge aufgrund einer Hungersnot wären für den Nachbarstaat China lästig. Aber die Zustimmung in New York bewahrt China und Moskau vor dem Vorwurf, Kim tatenlos zuzusehen.“
China und Russland retten ihre Haut
Um die Führung in Pjöngjang wird es zunehmend einsam, stellt Adevârul fest:
„Die traditionellen Verbündeten, Russland und China, sind jetzt schnell zurückgerudert. ... Sie haben den Ernst der Lage erkannt und überhaupt keine Lust, sich in eine gravierende Konfliktsituation auf der koreanischen Halbinsel verwickeln zu lassen. Russland hat seine eigenen - sehr komplexen - Probleme mit den Sanktionen, die Europäer und Amerikaner gegen Moskau verhängt haben. China arbeitet am groß angelegten Projekt der neuen Seidenstraße. ... Dieses Projekt kann China nicht aus Liebe zu einem paranoid und selbstmörderisch agierenden Diktator kompromittieren.“
Sicherheitsrat will US-Hardliner beschwichtigen
Die Einigkeit im UN-Sicherheitsrat ist der Angst vor einem Militärschlag der USA geschuldet, analysiert Sme:
„Die Wirtschaftssanktionen werden das Regime in Nordkorea nicht von seinem nuklearen Programm abbringen. Das einmütige Votum des Sicherheitsrats inklusive China und Russland zeigt aber, dass die Großmächte begriffen haben, dass Donald Trump kurz vor einem Präventivschlag gegen Nordkorea steht. So kurz wie nie zuvor. Ein solcher Angriff würde das Leben von Millionen Menschen bedrohen. ... Der zurückhaltende Außenminister Rex Tillerson hat keinen Einfluss in der Regierung. ... Die wirkliche Macht haben Verteidigungsminister Mattis und Sicherheitsberater McMaster. Und die sind sich einig, dass ein Angriff auf Nordkorea eine 'reale Möglichkeit' ist.“
Am Ende werden Vereinte Nationen doch nachgeben
Die neuen Sanktionen werden Pjöngjang um mindestens ein Drittel seiner derzeitigen Einnahmen bringen und dennoch das Regime nicht zum Nachgeben bewegen, glaubt die Frankfurter Rundschau:
„So oft die UN Strafen verhängten, so oft hat Pjöngjang diese hingenommen. Das Regime kann darauf vertrauen, dass am Ende der Sanktionsrunden die internationale Gemeinschaft doch nachgibt. Denn die fehlenden Einnahmen sorgen für Ernährungsengpässe in Nordkorea. Aus humanitären Gründen wurden Hilfen nötig. Es spricht also vieles dafür, dass ein möglicher Ausweg aus dieser Eskalationsspirale nur erreicht wird, wenn die entscheidenden Kontrahenten miteinander verhandeln. Doch das wird noch eine Weile dauern.“
Drohgebärden wie im Kalten Krieg
To Vima sorgt sich um den globalen Frieden:
„Erst letzte Woche hatten nordkoreanische Interkontinentalraketen die Westküste der USA bedroht und als Reaktion flogen amerikanische Bomber über Nordkorea. Gleichzeitig demonstrierten die russische Marine und die chinesische Armee mit beeindruckenden Paraden ihre Stärke. Und dann kam noch die Entscheidung des US-Kongresses für neue Sanktionen gegen Russland, das bereits eine Reihe wichtiger Übungen in Belarus geplant hatte, was eine entsetzte Reaktion der baltischen Staaten und der Nato zur Folge hatte. So wird in diesem Sommer plötzlich eine gefährliche Stimmung des Kalten Krieges wiederbelebt, die angeblich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion beerdigt war. Das ist besonders gefährlich zu einem Zeitpunkt, zu dem der unsägliche Trump der Führer der westlichen Welt ist.“