In Trippelschritten zum Brexit
Auch die dritte Runde der Brexit-Verhandlungen ist ohne erkennbare Fortschritte zu Ende gegangen. Kernfragen wie die Rechte von EU-Bürgern und die zukünftige Grenze zwischen Irland und Nordirland blieben ungeklärt. Bei den finanziellen Verpflichtungen der Briten gegenüber der EU kam es zu neuen Unstimmigkeiten. Wem die Unnachgiebigkeit am meisten schaden wird, analysieren die Kommentatoren.
Stolz und Starrsinn werden sich bitter rächen
Die Unnachgiebigkeit beider Verhandlungsparteien wird ein schlechtes Ende nehmen, warnt Kolumnistin Janet Daley in The Daily Telegraph:
„Die EU hat sich selbst das stolze Ziel gesetzt, nationale Rivalitäten zu beseitigen. Angesichts dessen ist es sonderbar, dass der Verlauf der Brexit-Verhandlungen immer stärker an die Zeit unmittelbar vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs erinnert. Damals waren die Staats- und Regierungschefs Europas dermaßen in ihrer eigenen Eitelkeit und blutrünstigen Unnachgiebigkeit gefangen, dass sie die Möglichkeit einer diplomatischen Lösung zerstörten. Die aktuelle Situation wird wohl nicht zum Ausbruch eines Krieges führen, so viel will ich schon klarstellen. Doch sie könnte leicht zu einer lange anhaltenden, tristen Phase des wirtschaftlichen Niedergangs und der Zermürbung sowohl in Europa als auch in Großbritannien führen.“
Großbritannien in der Sackgasse
Die zähen Verhandlungen zwischen London und der EU deuten für Sydsvenskan darauf hin, dass die Briten stärker unter dem Brexit leiden werden als die EU:
„Das Vertrauen britischer Haushalte in die Zukunft hat sich in den vergangenen Monaten deutlich verringert. Die Bank of England sagt einen Rückgang der Investitionen in den kommenden Jahren voraus. Gleichzeitig steigt die Nervosität auf politischem Niveau. Labour schlägt eine weichere Linie vor. Das gilt auch für einige Vertreter der Tories, die die schmale Mehrheit von Theresa May gefährden könnten. ... Aber sie wird ihr Nein zur Freizügigkeit nicht ändern. Und ein freier Markt ist damit ausgeschlossen, denn die EU hat klar gemacht, dass eine Freiheit die andere voraussetzt und dass an diesem Prinzip nicht gerüttelt wird. ... Selbst bei allem Wohlwollen Brüssels wird die Scheidung für die Briten schmerzvoller ausgehen als für die EU.“
Es droht ein Showdown im Herbst
Nach jedem Verhandlungstag das gleiche Spiel, stöhnt tagesschau.de und fühlt sich an den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ erinnert:
„Man tauscht ein paar Höflichkeiten aus, dann wird einige Tage hinter verschlossenen Türen verhandelt. Und schließlich treten beide vor die Presse, um wortreich zu verkünden, dass sie auch diesmal wieder nicht vorangekommen sind, sich aber weiter redlich bemühen werden. ... Wäre das Ganze Fiktion oder Satire, man könnte darüber lachen und zur Tagesordnung übergehen. Doch der Brexit ist bittere Realität. ... Schaffen die Unterhändler in der nächsten oder spätestens übernächsten Runde nicht den Durchbruch, droht ein turbulenter Showdown beim Herbstgipfel der Staats- und Regierungschefs. Es ist kein Wunder, dass man in Brüssel allmählich die Geduld verliert und zur Eile mahnt.“
Extrawürste lässt EU nicht zu
Brexit-Minister Davis sollte erkennen, dass die EU an ihren Prinzipien festhält, mahnt The Times:
„David Cameron hatte gehofft, durch persönliche Appelle an EU-Amtskollegen eine echte Neuverhandlung der Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU zu erreichen. Vergebens. Schon ein Jahr vorher war der griechische Versuch, Europa zum Handeln zu zwingen, nach hinten losgegangen. ... Brüssel blieb hart und weigerte sich, dem Land Schulden zu erlassen. Zur Begründung hieß es, dass eine Sonderbehandlung eines EU-Mitglieds bald ähnliche Wünsche anderer Mitglieder nach sich ziehen würde. ... Brexit-Minister David Davis sollte erkennen, dass der Schaden für die britische Wirtschaft eher noch wachsen könnte, wenn er mit harten Bandagen gegen die EU in den Verhandlungskampf zieht - zu einem Zeitpunkt, an dem diese sich in ihrer Integrität bedroht fühlt.“
Noch zu viel Liebe zwischen Briten und EU
Da ist noch zu viel Bindung als dass die Verhandlungspartner ihre Scheidung ernsthaft durchziehen könnten, stellt De Morgen fest:
„Nun gleich ans Abblasen der Verhandlungen zu denken, ist aber undenkbar. Es wäre auch eine Missachtung des Referendums. ... Aber was, wenn die Frist vom März 2019 überschritten wird? Die Briten scheinen das nicht mehr so schlimm zu finden. Im Gegenteil: Auf der Insel gibt es immer mehr Befürworter einer langsamen, sanften Reform, die ruhig einige Jahre dauern kann und am Ende nicht auf eine Scheidung hinausläuft, sondern auf einen neuen Partnerschaftsvertrag. ... Wichtig ist, dass die politischen Führer in der EU die Zeit nicht verschwenden, um den Briten zu sagen, wie dumm sie seien, und wie gut sie selbst. Denn der Brexit war auch ein legitimes Misstrauensvotum gegen eine Europäische Union, die ihre eigenen Bürger übergangen hat.“