Was verheißt der politische Generationswechsel?
Sebastian Kurz ist 31 Jahre alt - nach Frankreich unter Macron wird damit auch Österreich sehr wahrscheinlich bald von einem Politiker einer neuen Generation regiert. Was diese ausmacht und welche Folgen ihr Aufstieg an die Macht für die Politik hat, analysieren Europas Kommentatoren.
Exzellente Produkte der politischen PR
Mit Kurz und Macron sitzen zum ersten Mal Vertreter der Generation Y an der Spitze europäischer Staaten, schreibt Webcafé:
„Sie gehören zu der Generation, in der jede Botschaft über 140 Zeichen in die Kategorie 'tl;dr' [Too long; didn't read] fällt. ... Eine Generation, in der man den Namen des Abgeordneten seines Wahlkreises nicht kennt, aber weiß, wie man dem Präsidenten der USA eine persönliche Hassnachricht schreibt. Diese Generation hat nun die ersten Führungspolitiker hervorgebracht. Sie sind unter 40 und keine Politiker im traditionellen Sinne: alte, Respekt einflößende Männer mit kurzen grauen Haaren und noch graueren Perspektiven für die Zukunft ihrer Nation. Stattdessen sind sie die Jungs von nebenan in maßgeschneiderten Anzügen. Weder links noch rechts, keine politischen Subjekte, sondern exzellente Erzeugnisse der politischen PR.“
Jugendwahn nur ein Strohfeuer?
Den Generationenwechsel in der Politik beurteilt auch De Morgen nicht ausschließlich positiv:
„Es sind einnehmende, charmante Führer, die aus ihrem Alter ein Verkaufsargument machen. Allein dadurch positionieren sie sich außerhalb der klassischen Politik, die viele Wähler misstrauisch beäugen. ... Doch wieso sollten diese jungen Politiker plötzlich Garanten für eine neue Kultur sein? Der Jugendwahn illustriert aber eine wichtige Verschiebung in der Politik. ... Früher gab es zwei oder drei Parteien, deren Anführer - oft ein älterer Mann mit bewiesenen Verdiensten - der einzige Spitzenkandidat war. Heute ändert sich das viel schneller. Überall zerbröckeln hierarchische Strukturen auch in der Politik. Junge, ehrgeizige Individuen kommen schneller hoch. Aber sie gehen auch schnell wieder unter.“
Mehr Innovation, weniger Sicherheit
Was die Wahl eines neuen, jungen Politiker-Typus mit sich bringt, analysiert Der Tagesspiegel:
„Die Generation Start-up ist nun in der großen Politik angekommen, mit allem, was sich damit verbindet. Das bedeutet mehr Innovation, mehr Flexibilität, mehr Chancen, aber auch weniger Sicherheit, weniger Planbarkeit, weniger Kontrolle. Mit Emmanuel Macrons Versuch, den Arbeitsmarkt zu deregulieren und eine Reform des Rentensystems durchzusetzen, bekommt Frankreich gerade eine Kostprobe davon, was das bedeuten mag. Und Sebastian Kurz hat zwar mit seinem Versprechen einer harten Linie in der Flüchtlingsfrage die Wahlen gewonnen, doch wie er seine Linie durchsetzen will, ohne Österreich in Europa zu isolieren, bleibt offen. Bei beiden gilt: Dass sie es an die Macht geschafft haben, bedeutet nur, dass es anders, nicht notwendigerweise, dass es besser wird.“