Deutschland könnte Sparpolitik fortführen
Noch vor dem Beginn von Koalitionsverhandlungen haben sich CDU, FDP und Grüne darauf geeinigt, die "schwarze Null" zu erhalten. Dieses Konzept ausgeglichener öffentlicher Haushalte ohne Neuverschuldung erregt die Gemüter der Kommentatoren: Ist die Sparpolitik das richtige Rezept für Europas Zukunft?
Wer jetzt spart, ist bekloppt
Jetzt nicht auf Investitionen zu setzen, verspielt Deutschlands Zukunft, kritisiert der Blogger Sascha Lobo auf Spiegel Online:
„Die kommende Legislaturperiode ist aus ungefähr jeder Hinsicht die bekloppteste Zeit zum Sparen: digital, ökonomisch, infrastrukturell, sozial, wissenschaftlich, politisch, europäisch, kulturell, integrativ, Bildung, Sicherheit und Migration betreffend, die Aufzählung ließe sich fortführen. ... Zukunft wird aus Geld gemacht. Und zwar aus sehr viel Geld. Die Frage darf deshalb nicht lauten: Was ist für die Zukunftsgestaltung gerade übrig? Sondern: In welcher Zukunft wollen wir leben? Und dann kann man die Investitionen berechnen. Mit der schwarzen Null als Primat vor jedwedem Zukunftskonzept wird das eher nicht funktionieren.“
Ausgeglichener Haushalt geht auf Kosten anderer
Die Angestellten des Bundesfinanzministeriums haben sich mit einer besonderen Aktion von Ex-Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble verabschiedet: Komplett in Schwarz gekleidet formten sie eine "schwarze Null". Doch dieses Politikkonzept ist kein Grund zum Feiern, findet Blogger Pitsirikos:
„Deutschlands ausgeglichener Haushalt wurde durch den Zusammenbruch der Volkswirtschaften der südlichen Länder erreicht. Schäubles nationalistischer Ansatz für die Wirtschaft hat zum Aufstieg von Nationalismen und rechtsextremen Parteien in Europa und zum Brexit geführt. Wissen die Angestellten des Bundesfinanzministeriums das nicht? Natürlich wissen sie es. Aber es ist ihnen egal. Sie bekommen sehr gute Löhne, und sie kümmern sich nicht um die anderen Europäer und auch nicht um die vielen Deutschen, die Opfer von Schäuble und seinem ausgeglichenen Haushalt sind.“
Schuldenabbau wäre auch für Frankreich gut
Frankreich sollte sich an Deutschlands ausgeglichenem Haushalt ein Beispiel nehmen, findet hingegen Les Echos:
„Französische Regierungen haben nämlich Schwierigkeiten, Spielraum für Steuersenkungen zu schaffen und somit Kaufkraft und Wachstum zu stärken. Zwar ist Frankreich vom Abbau seiner Staatsschulden noch weit entfernt, doch ist es eine gute Gelegenheit, eine Anomalie zu beseitigen: die von den Sozialversicherungen angehäuften Schulden. Von den innerhalb von 20 Jahren angehäuften 260 Milliarden Euro wurde die Hälfte getilgt und der Rest könnte bis 2024 vollständig abbezahlt werden - vorausgesetzt das Wachstum hält an und die Regierung ist nicht zu spendabel. So könnten die Franzosen die 15 Milliarden Euro Sozialbeiträge zurückerhalten, die jedes Jahr ausschließlich für die Tilgung dieser Sozialschuld eingezogen werden und nicht dazu, Behandlungskosten zu erstatten und Renten auszuzahlen.“