Was macht Saakaschwili zum Staatsfeind?
Nur wenige Tage nach seiner Befreiung durch Demonstranten ist der ukrainische Politiker Michail Saakaschwili in der Nacht zu Samstag erneut festgenommen worden. Tausende Menschen strömten daraufhin auf die Straßen Kiews und forderten seine Freilassung sowie die Amtsenthebung von Präsident Petro Poroschenko. Warum die Staatsmacht gegen den Oppositionellen vorgeht, beschäftigt die Kommentatoren.
Das System Janukowitsch lebt weiter
Für die Süddeutsche Zeitung wird am Fall Saakaschwili deutlich, wie bedenkenlos die ukrainische Regierung rechtsstaatliche Prinzipien missachtet:
„[I]n der Ukraine ist er ... unbequem, weil er die bis in die Staatsspitze reichende Korruption anprangert. In den vergangenen Monaten wurde Saakaschwili rechtswidrig die ukrainische Staatsbürgerschaft entzogen. Etliche Mitarbeiter wurden illegal verhaftet und nach Georgien deportiert. Nun folgt die absurde Anschuldigung eines geplanten Staatsstreiches, bisher präsentierte Belege sind lachhaft. ... Der Fall Saakaschwili zeigt exemplarisch, dass die ukrainische Spitze unter Poroschenko wieder alles tut, um das von Vorgänger Janukowitsch geerbte korrupte Regierungssystem aufrechtzuerhalten.“
Poroschenko bekämpft nur persönliche Feinde
Während Geheimdienst und Staatsanwaltschaft auf Saakaschwili angesetzt wurden, fühlen sich anrüchigere Protagonisten in der Ukraine pudelwohl, meint der Ex-Parlamentsabgeordnete Jehor Firsow in Ukrajinska Prawda:
„Die ukrainischen Rechtsschützer verfolgen nicht die realen Feinde der Ukraine, sondern diejenigen, die dem Präsidenten unbequem werden und es wagen, von Korruption in seinem Umfeld zu sprechen. Andere können machen was sie wollen: die Donezker Separatisten finanzieren, mit dem Aggressor [Russland] Handel treiben, ungesetzliche Referenden abhalten, Milliarden stehlen - solange sie loyal gegenüber der Regierung sind, wird ihnen nichts passieren. Doch sobald jemand äußert, dass Petro Poroschenko korrupt ist, wird er sogleich zum 'Agenten Moskaus' und zur 'Marionette der Oligarchen'.“
Staatsführung ist schwach und ineffektiv
Michail Saakaschwili ist nun kaltgestellt, findet Latvijas avize:
„Die Machtelite in Georgien und in der Ukraine braucht Saakaschwili nicht mehr. Ihm wurde sowohl die georgische, als auch die ukrainische Staatsbürgerschaft entzogen. ... Aber Mischa hört nicht auf. Er ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie schwach und ineffektiv die jetzige Macht in der Ukraine ist. … Es kann gut sein, dass die Ukraine, um voranzukommen, von Zeit zu Zeit eine neue Revolution braucht. Aber wie lange kann der Staat in ständiger Spannung leben? Ein Jahr, zwei, aber nicht mehr als drei. Wie schade für Saakaschwili. Aber leid tun sollten uns auch die Ukraine und ihre Bürger.“