OIC-Gipfel: Neue Dynamik für Jerusalem-Frage?
Als Reaktion auf Trumps Jerusalem-Entscheidung hat die Organisation für Islamische Zusammenarbeit OIC Ost-Jerusalem als Hauptstadt Palästinas anerkannt. In der Abschlusserklärung des vom türkischen Präsidenten Erdoğan einberufenen Sondergipfels fordert die OIC die übrigen Staaten der Welt auf, ihrem Beispiel zu folgen. Kommentatoren diskutieren, ob der Vorstoß eine Lösungsfindung im Israel-Palästina-Konflikt begünstigen kann.
Die Tür für Verhandlungen ist geöffnet
Kolumnist Murat Yetkin zeigt sich in Hürriyet angesichts der Ergebnisse des Gipfels hoffnungsvoll:
„Die OIC stand vielleicht zum ersten Mal in ihrer Geschichte so entschlossen neben dem palästinensischen Volk und gleichzeitig auf dem rechtlichen Fundament der UN. Wird also diese Standhaftigkeit die USA zwingen, ihre Entscheidung rückgängig zu machen, oder die UN dazu drängen, einen Beschluss entgegen Israels Interessen zu treffen? Das glaube ich kaum. Es liegt auf der Hand, dass Trump diese Entscheidung aus innenpolitischen Motiven getroffen hat, er wird da keinen Rückzieher machen. ... Die Haltung [der OIC] kann aber die Tür für eine neue diplomatische Phase öffnen. “
Nichts als ein PR-Zirkus
Cumhuriyet hingegen fürchtet, dass der Gipfel keine Wirkung haben wird:
„Hätten ausnahmslos alle Islamstaaten an dem Gipfel teilgenommen und wären alle durch ihre Staatsoberhäupter vertreten gewesen, dann gäbe es die realistische Hoffnung, 'Washington zurückrudern zu lassen'. Doch so war der Gipfel leider nichts weiter als ein PR-Zirkus. Die Forderungen in der Abschlusserklärung werden auch von diversen internationalen Akteuren vertreten, angefangen bei der EU bis hin zu Macron. Aber sie können bedauerlicherweise die tragische Kapitulation Palästinas nicht verhindern. Es gibt historische Gründe für diese Kapitulation. Einer der wichtigsten ist natürlich der fehlende Zusammenhalt unter den Muslimen. Ein anderer ist die permanente Lobbyarbeit der israelischen Rechten, die ihr Endziel niemals aus den Augen verliert.“
Die Krönung für Erdoğan
Erdoğan müsste sich eigentlich bei Trump bedanken, meint La Stampa zynisch:
„Erdoğans Traum, zum unumstrittenen Verfechter des Islam und vor allem zur Leitfigur der muslimischen Welt zu werden, geht in Erfüllung. ... Trump hat mit seiner Entscheidung, die Heilige Stadt als Hauptstadt des jüdischen Staats anzuerkennen, Erdoğans Ambitionen wieder auflodern lassen. Von diesem Moment an begann ein intensiver diplomatischer Austausch, in dem Erdoğan binnen weniger Stunden Gespräche mit allen Führungskräften der OIC führte, um die Zügel in die Hand zu nehmen. Bis zur Einberufung des Sondergipfels in Istanbul, der alten osmanischen Stadt, die nun wieder zum politischen Zentrum der Region wurde. Es ist eine Art Krönung für den türkischen Staatschef, die nicht nur einen pan-islamischen, sondern auch einen eindeutig anti-amerikanischen Charakter hat.“