Konnte Macron in China punkten?
Macron war mit dem Anliegen nach China gereist, eine solidere und ausgewogene Handelsbeziehung zwischen Paris und Peking zu schaffen. Beobachter glaubten außerdem, dass er seine Rolle als De-Facto-Repräsentant der EU zementieren wollte. Nun diskutieren Europas Medien, ob der Präsident diese Ziele erreicht hat.
Frankreich übernimmt die Führungsrolle
Europa sollte Macrons Eifer, gute Beziehungen zu China aufzubauen, zu schätzen wissen, findet Il Sole 24 Ore:
„Die internationale Politik des französischen Präsidenten füllt das geopolitische Vakuum, das Deutschland, Großbritannien und die USA hinterlassen haben. ... Frankreich hat innerhalb weniger Monate Stabilität, Reformeifer und Fingerspitzengefühl wiedergefunden, wenngleich noch keine Strategie. ... Die Hyperaktivität Frankreichs ruft bei den europäischen Partnern, Italien inbegriffen, nicht selten Unwillen hervor. Doch sie ist nur die logische Konsequenz der Verpflichtungen, die Macron im Wahlkampf mit Blick auf Europa unterzeichnet hat. ... Niemand mag ihm die Aufgabe erteilt haben, zum Sprecher der EU zu werden, doch in diesem Moment ist Macron der Einzige, der ein halbwegs tragbares Integrationsmodell hat.“
Macron kann es nicht allein richten
Macron hat sich gut geschlagen, aber sein Besuch hat europäische Defizite aufgedeckt, erkennt das Handelsblatt:
„Macron hat Recht mit seiner Feststellung, dass Europa sich immer wieder auseinanderdividieren lässt. ... China hat eine Strategie - und eine politische Führung, die sie robust umsetzt. Europa hat weder eine Strategie noch eine Führung. Manche in Deutschland und Frankreich glauben immer noch, das sei besser so. Sie werden eines Besseren belehrt werden. Wenn wir ein paar Jahre so weitermachen, verlieren wir erst die technologische, dann die wirtschaftliche und schließlich die politische Souveränität. Macrons Schuld wird es nicht sein.“
Marktöffnung noch nicht garantiert
Dass Macron mehr Wechselseitigkeit in den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Europa und China angemahnt hat, lobt Le Monde:
„In ihrem Durst nach Investitionen in Europa zielen die Chinesen gern auf sensible Sektoren, insbesondere wenn sie sich davon Technologietransfers versprechen. Als äußerst offener Kontinent hat Europa diese Plünderung zu lange toleriert. ... Brüssel bemüht sich nun tatsächlich darum, die strategischen Interessen Europas gegenüber ausländischen Investoren zu schützen. … Präsident Xi Jinping hat sich davor gehütet, Gegenseitigkeit zu versprechen: Die Zukunft wird zeigen, ob Macrons diplomatischer Vorstoß etwas gebracht hat. China versteht es perfekt, seine Märkte zu schützen und ausländische Investitionen wohlbedacht auszuwählen. Die Europäer hingegen haben in dieser Hinsicht noch Nachholbedarf.“
Charmeoffensive zeigt Wirkung
Frankreichs Präsident hat mit seinem jugendlichen Charme in China überzeugt, findet Diário de Notícias:
„Macron ist mit ehrgeizigen Plänen nach China gereist, um den Handel auszubauen und Investitionen nach Frankreich zu locken. Man weiß, dass es nicht leicht ist, eine ausgewogene Beziehung zu einem Land zu erreichen, welches kurz davor ist, den Status des Weltführers wiederzuerlangen. ... Macron hat sich bemüht, einige Verträge mit nach Hause zu bringen, und dabei wenig über politische Fragen, geschweige denn über Menschenrechte gesprochen. Die Jugend und der affirmative Stil des französischen Präsidenten haben in China zweifellos einen guten Eindruck hinterlassen und werden als Kapital für die Zukunft gelten, besonders wenn Europa weiter nicht im Stande sein sollte, gegenüber Peking mit einer Stimme zu sprechen.“
Chinesischer Riese, französischer Zwerg
Man sollte von Macrons China-Besuch keine Wunder erwarten, warnt Les Echos:
„[Präsident] Xi Jinping hat den Spruch vom 'chinesischen Traum' geprägt. Für Frankreich bleibt China ebenfalls ein Traum: der Traum von einem gigantischen Markt für französische Firmen und von wichtigen Partnerschaften. ... Es ist nicht der erste Staatsbesuch, bei dem der Abschluss enormer Verträge und strategischer Abkommen angekündigt wird. ... Wie viele Atomkraftwerke hätte Frankreich schon an China verkauft, wenn alle Ankündigungen der Vergangenheit wahr geworden wären? Für China, das schon morgen die Wirtschaftsmacht Nr. 1 werden könnte, zumindest nach der Größe seines BIPs, ist Frankreich mit seinen 1,5 Prozent Marktanteil ein Handelszwerg. ... Und Macrons Staatsbesuch ist weit davon entfernt, unsere stark defizitäre Handelsbilanz ausgleichen zu können.“
Macron setzt auf Partnerschaft
Macron will den asiatischen Riesen zu einer echten Zusammenarbeit bewegen, glaubt Il Sole 24 Ore:
„Gegenseitigkeit - das ist die Zauberformel, die den Besuch von Macron in China kennzeichnet. Kein Zufall, dass Macron als erstes die alte Kaiserstadt Xi'an besucht hat, den Ausgangspunkt der historischen Seidenstraße. ... Gerade das Projekt der Neuen Seidenstraße und die ihr zugrundeliegende langfristige Strategie erfordern ein neues Gleichgewicht zwischen Europa und China. ... Dabei geht es um Geopolitik. Denn die Neue Seidenstraße ist ein Instrument, mit dem Peking seinen Einfluss über ein riesiges Gebiet ausweiten kann. (Die sechs Korridore und der Meeresweg schließen 65 Länder ein.) Und zwar mit diplomatischen Methoden, die wie gehabt an Transparenz zu wünschen übrig lassen werden - was den westlichen Regierungen Sorge bereitet.“