Selbstanzündung aus Protest erschüttert Türkei
Vor dem türkischen Parlament hat sich am Freitag ein Bauarbeiter angezündet, aus Verzweiflung über seine schlechten Lebensbedingungen. Er kam mit Verbrennungen davon. In den türkischen Medien hat der Vorfall eine Diskussion über Sozialpolitik und die politische Linke ausgelöst.
Linke müssen echte Alternative werden
Die linken Kräfte im Land müssen endlich überzeugende Antworten auf drängende soziale Fragen entwickeln, mahnt Birgün:
„Dass ein Arbeiter sich vor dem türkischen Parlament anzündet mit der Begründung, er habe 'existentielle finanzielle Probleme', das zeigt die Verzweiflung des Volkes. Eine Verzweiflung, die hauptsächlich daher rührt, dass es weder auf gesellschaftlicher noch auf politischer Ebene eine Kraft zu geben scheint, die etwas verändern könnte. ... Das Nein-Lager muss jetzt nach Wegen suchen, die Linke zu einer echten Kraft mit einer unabhängigen Stimme zu machen. Protest- und Widerstandsbewegungen sind in unserem Land größtenteils erlahmt und nach den Gezi-Protesten haben wir mehrfach erzwungene Wege einschlagen müssen. Nur durch die Entwicklung einer echten Alternative kann diese Situation überwunden werden.“
Die Opposition als Anstifter
Die regierungstreue Sabah zeigt sich erschüttert von den Worten des Oppositionsführers Kemal Kılıçdaroğlu, der erklärte, diese Aktion hätte im Grunde vor Erdoğans Präsidentenpalast stattfinden müssen, da das Parlament in Zeiten des Ausnahmezustands ohnehin außer Kraft gesetzt sei:
„Es ist wirklich nicht zu fassen. Kann es Aufgabe der Opposition sein, Bürgern mit Existenzproblemen zu raten, sich anzuzünden? Es ist offensichtlich, dass Kılıçdaroğlu, weil er keine Hoffnung mehr für [die Präsidentschaftswahl] 2019 hat und der innerparteilichen Opposition überdrüssig ist, politischen Selbstmord begehen will. Weil er dafür aber nicht genug Mut hat, sollen die Bürger das an seiner Stelle übernehmen. Wie armselig!“