Ukraine wirft Saakaschwili aus dem Land
Die Ukraine hat Michail Saakaschwili nach Polen abgeschoben. Man wirft ihm vor, die Vorbereitung eines Staatsstreichs unterstützt zu haben. Der jetzt staatenlose georgische Ex-Präsident war 2015 als Freund des ukrainischen Präsidenten Poroschenko ins Land gekommen, überwarf sich aber mit diesem und bezichtigte ihn der Korruption. An seiner Ausweisung scheiden sich die Geister.
Ein Zeichen für staatliche Schizophrenie
Der Politologe Petro Oleschtschuk spricht in Nowoje Wremja von einem Staatsversagen auf ganzer Linie:
„Der ukrainische Staat wurde gestern durch den Dreck gezogen. Man hat gezeigt, dass er einfach nicht existiert. Denn jeder Staat sollte die eigenen Normen und Verfahren beachten, andernfalls ist er sinnlos. Saakaschwili hat einen Staatsstreich organisiert? Dann muss er dafür verurteilt werden. Das ist alles, Punkt. Hat er keinen organisiert, dann muss er freigesprochen werden. Wenn ein Prozess beginnt und mittendrin der 'Verschwörer' einfach deportiert wird, nicht einmal ausgeliefert, sondern einfach abgeschoben, dann bedeutet das, dass der Staat an akuter Schizophrenie leidet.“
Die Ukraine braucht Saakaschwili
Der Fall Saakaschwili dürfte das Ansehen des ukrainischen Präsidenten Poroschenko weiter beschädigen, prognostiziert die taz:
„Das Umgehen mit Saakaschwili zeigt die Beliebigkeit von rechtsstaatlichem Verhalten in der Ukraine. Man kann einem Weggefährten die ukrainische Staatsbürgerschaft einfach mal schenken. Und man kann sie ihm genauso schnell wieder entziehen und ihn außer Landes schaffen, wenn er sich politisch nicht wie gewünscht verhält. Angst vor mittelfristigen negativen Folgen scheint man im Team Poroschenko nicht zu kennen. … Im politischen Kiew denkt man bereits an die Zeit nach Poroschenko. Nationalisten und bürgerliche Opposition stehen gleichermaßen in den Startlöchern. Andere Alternativen gibt es nicht. Und auch vor diesem Hintergrund ist eine Rückkehr von Saakaschwili wünschenswert. Man sollte nicht den Nationalisten das Feld überlassen.“
Ein kluger und humaner Schachzug
Die Abschiebung von Saakaschwili nach Polen ist sowohl für ihn selbst als auch für die Ukraine eine gute Lösung, argumentiert hingegen der präsidentennahe Politologe Wiktor Ukolow in Ukrajinska Prawda:
„Die Rückführung wurde zum humansten Ausweg für Saakaschwili, den man bereits heute in das von ihm reformierte georgische Gefängnis hätte senden können. ... Die Rückführung ist ein gesetzlicher, sorgfältig abgewogener Schritt und gleichzeitig ein Zeichen der Ermüdung dieses Landes, das sich das Recht erstritten hat, in Ruhe zu leben und sich zu entwickeln. Das einzig Beunruhigende ist, dass Polen einem ein wenig leidtun kann. Hoffen wir, dass Michail nicht auch noch in einem weiteren Land Politik zu machen versucht.“
Peinliches Fiasko für westliche Missionare
Und die Kreml-nahe Izvestija sieht Saakaschwilis Abschiebung als Beweis dafür, dass mit vom Westen gesponsorter Reformpolitik kein Staat zu machen ist:
„In manchen Ländern hat man eine mystische Vorstellung vom Westen. Er verbreite Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Aufschwung. Man müsse nur auf 'unnötige' Souveränität verzichten und dann bauen die gütigen 'weißen Männer' innerhalb weniger Jahren ein zivilisiertes Staatswesen auf. ... So war es in Georgien unter Saakaschwili. Und so sollte es auch in der Ukraine nach dem vom Westen höchstselbst abgesegneten Euromaidan geschehen. Nun aber muss man anerkennen, dass entweder Saakaschwili doch kein so 'Großer Reformer' ist oder es in der Ukraine einfach ganz real drunter und drüber geht. Im einen wie im anderen Fall ergibt sich, dass westliche Kuratoren ihren Mandatsgebieten nichts Gutes bringen, im Gegenteil.“
Den wollen wir hier nicht!
Nichts Gutes schwant Rzeczpospolita angesichts der Ankunft Saakaschwilis in Polen:
„Gerade wo man glaubt, es könne in der Außenpolitik nicht mehr schlimmer werden, taucht Michail Saakaschwili in Warschau auf. Und mit ihm die Probleme der ukrainischen Innenpolitik. Das hat uns gerade noch gefehlt, die Beziehungen zu Kiew sind angespannt genug. ... Für die Regierung ist es nicht leicht, ihn, der als Freund des [verstorbenen] Präsidenten Lech Kaczyński gilt, rauszuwerfen - schon gar nicht Richtung Georgien, wo er im Gefängnis landen würde. ... Gleichzeitig kann man schwerlich ignorieren, dass er von unserem Gebiet aus zum Sturz der Regierung in einem Nachbarland aufruft, das für die Sicherheit unserer Region so wichtig ist. Man sollte ihm also ganz ruhig erklären, dass das Warschauer Klima nicht das richtige für ihn ist.“