Werden Polens neue Pässe zur Provokation?
Für die Polen soll es 2018 zum Jahrestag der Unabhängigkeit einen neuen Pass geben. Doch bereits im Vorfeld gibt es Protest. Denn unter den Motiven, über die das Innenministerium im Internet abstimmen lässt, sind auch Bilder von Stätten, die für Polen historisch bedeutsam sind, aber heute zur Ukraine und zu Litauen gehören. Journalisten sorgen sich angesichts der Tragweite, die der Streit annehmen könnte.
Alles andere als eine Kleinigkeit
Diena bereiten die diplomatischen Verstimmungen große Sorgen:
„Die Bedenken rühren daher, dass Polen in letzter Zeit viele offizielle und inoffizielle Schritte gemacht hat, die so interpretiert werden können, dass Warschau Polens Grenze von einem Meer bis zum anderen wiederherstellen und zu einem Land werden will, das die Politik Osteuropas und teilweise der Balkanregion bestimmt. Vor diesem Hintergrund erscheint das Projekt Jubiläums-Pass nicht so naiv, wie es die Beamten darstellen. Warschau sollte sich lieber zuerst mit seinen Nachbarn abstimmen, bevor es dieses historisch empfindliche Thema berührt. Umso mehr, als der größte Gewinner bei diesen Meinungsverschiedenheiten Russland ist.“
Etwas mehr Humor, bitte
Litauens Außenminister hat sich über die Auswahl der Bilder empört und von einem Vertreter der polnischen Botschaft eine Erklärung erbeten. Kommentator Rimvydas Valatka zeigt sich in Delfi überzeugt, dass Humor in dieser Sache der bessere Berater wäre:
„Es ist immer ratsam, den Blödsinn der Nachbarn mit Humor zu erwidern. ... Weil wir Litauer und unsere polnischen Brüder uns aber gleichen wie zwei Wassertropfen, hat Litauen auf die polnische Abstimmung zum Bild vom Tor der Morgenröte völlig humorlos reagiert. ... Ein von Radikalen entworfener Unsinn hat Radikale der anderen Seite zum Kampf animiert - gemäß dem für beide verstädlichen Kommando 'Auf die Rösser, Schwerter raus!'. Es geht also aus wie immer: Polnische Radikale stacheln litauische Radikale an oder umgekehrt. Und wird so, wie es der Kreml kurz vor seinem Zapad-Manöver am liebsten hat.“
Wie fänden wir es, wenn Berlin das täte?
Für unsensibel hält Newsweek Polska die Auswahl der Reisepass-Motive:
„Die Idee des Ministeriums von Mariusz Błaszczak für neue Reisepässe sabotiert die Beziehungen mit unseren Nachbarn und ist ein großer Schritt in Richtung internationaler Isolation Polens. ... Was passiert, wenn andere den gleichen Weg einschlagen wie die PiS? Wenn die Deutschen in ihrem kirschroten Reisepass ein Bild der Breslauer Jahrhunderthalle unterbringen? ... Das Tor der Morgenröte [im litauischen Vilnius] und der Friedhof der Verteidiger von Lemberg auf dem Lytschakiwski-Friedhof [in der Ukraine] sind wichtige Orte im polnischen Nationalgedächtnis, das stimmt. Aber sie befinden sich auf dem Gebiet unserer Nachbarn. ... Diese Bilder auf einem Dokument abzudrucken, mit dem etwa viele Polen auch in die Ukraine reisen, ist eine Provokation.“
Warschau opfert Sicherheit dem Nationalstolz
Die polnische Regierung gefährdet ihre nachbarschaftlichen Beziehungen und damit die Sicherheit des Landes, warnt Rzeczpospolita:
„Von Monat zu Monat verschlechtern sich die Beziehungen zwischen Warschau und Kiew. Die Polen haben sowohl die Ukrainer als auch die Litauer stark irritiert mit ihrem Entwurf eines Reisepasses, der Bilder des Lytschakiwski-Friedhofs und des Tors der Morgenröte enthält. ... Und der permanente Missbrauch der Geschichtspolitik gegenüber Deutschland führt zu verschlechterten Beziehungen mit unserem größten Handelspartner. ... Da Beziehungen zu Russland faktisch nicht bestehen, sollte unsere Lage uns Sorgen bereiten. ... Lohnt es sich, unsere geopolitische Sicherheit einer solchen Gefahr auszusetzen?“