Regieren in Italien bald die Systemgegner?
Knapp drei Wochen nach der Wahl zeichnet sich in Italien eine Einigung über wichtige Posten ab. Movimento 5 Stelle wird wohl den Vorsitz in der Abgeordnetenkammer bekommen und das Mitte-Rechts-Bündnis, dessen stärkste Partei die Lega ist, den Senatsvorsitz. Auch mehren sich Anzeichen, dass es zu einer Regierungskoalition der beiden Lager kommen könnte. Für Kommentatoren eine unheilvolle Allianz.
Angriff auf die offene Gesellschaft
Die offene Gesellschaft steht auf dem Spiel, warnt Politologe Angelo Panebianco in Corriere della Sera:
„Eine Regierung aus Movimento 5 Stelle und Lega würde allen vor Augen führen, dass die wesentliche politische Trennlinie nicht länger, wie in guten alten Zeiten, zwischen links und rechts verläuft (Sozialisten gegen Konservative). ... Sie verläuft nun - und nicht nur in Italien - zwischen den Kräften, die die offene Gesellschaft verteidigen und denen, die sie bekämpfen. Da die auf repräsentativer Demokratie und Marktwirtschaft basierende offene Gesellschaft ein Zeichen unserer Zugehörigkeit zur westlichen Welt ist, sind ihre Gegner auch Gegner dieser Zugehörigkeit. Sie werden das Land entsprechend von Europa und den USA entfernen, um es Schritt für Schritt an Russland heranzuführen. Denn geschlossene Gesellschaften verstehen sich untereinander.“
Nicht mehr verfassungskonform
Ob sich die Lega und das Movimento 5 Stelle nicht schon am Rande der Verfassungswidrigkeit bewegen, fragt Avvenire:
„Die Frage kann nicht einfach mit dem großen Erfolg der beiden Parteien abgetan werden, denn die Geschichte ist voll von systemfeindlichen Parteien, die sich großer Beliebtheit erfreuten. ... Als 'verfassungswidrig' müssen wir heute jene politischen Kräfte einstufen, die über ihr Programm, ihre Parteispitzen und ihren Kommunikationsstil darauf abzielen, die Verfassung zu untergraben. Eine Verfassung, welche im Zusammenhang mit dem aktuellen Stadium der Europäischen Integration und in dem internationalen Kontext gesehen werden muss, in dem sich Italien befindet. Anders gesagt: Eine Partei, die den Austritt aus EU und Nato anstrebt, ist heute genauso 'systemwidrig' wie eine Partei, die die Monarchie, die Rassentrennung oder den Einparteienstaat wiedereinführen will.“