Syrien-Luftschläge: Wer mitmacht, wer sich enthält

Während Frankreich und Großbritannien sich an den US-Luftschlägen in Syrien beteiligt haben, waren Deutschland und die EU zurückhaltend. Kommentatoren bewerten die unterschiedlichen außenpolitischen Strategien.

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The Guardian (GB) /

May und Macron haben sich Trump ausgeliefert

Dass sie mit der unberechenbaren US-Regierung gemeinsame Sache machen, könnte für London und Paris noch gefährlich werden, warnt The Guardian:

„Wenn Donald Trump nicht vorangegangen wäre, hätten Frankreich und Großbritannien Syrien nicht selbst bombardiert. Wir haben es hier im Kern mit einer US-Militäroperation zu tun. Damit setzen Großbritannien und Frankreich ihre Hoffnungen in das Weiße Haus. Wir wissen, dass Präsident Trump impulsiv, aggressiv, grob und dünnhäutig ist. Laut jüngsten Aussagen von Ex-FBI-Chef James Comey ist Trump 'unethisch und fühlt sich nicht an die Wahrheit sowie die Werte des Amtes gebunden'. Wir wissen auch, dass der Präsident in seiner Heimat in eine Reihe von Skandalen verstrickt ist, die ihn im besten Fall ablenken und im schlechtesten Fall nach Ablenkung suchen lassen.“

De Volkskrant (NL) /

Starkes Debüt des französischen Präsidenten

Für die Hintergründe von Frankreichs Beteiligung an den Luftschlägen interessiert sich De Volkskrant:

„Trump kann nicht so gut mit der deutschen Bundeskanzlerin Merkel. Die britische Premierministerin May hat wenig Ansehen und mit dem Brexit genug zu tun. Damit ist Emmanuel Macron für Trump der wichtigste Gesprächspartner in Europa. Und für einen französischen Präsidenten ist das Ausland wichtig. Die große Nation muss ihren Rang in der Welt behaupten. Militärische Aktionen verstärken das Ansehen von Frankreich und seinem Präsidenten. ... Macron machte einen starken Eindruck bei seinem Debüt auf der Weltbühne. Aber Außenpolitik ist mehr als Kommunikation. Ist Macron auch ein Friedensstifter, der Assads Verbündete Russland und Iran auf andere Gedanken bringen kann?“

Der Standard (AT) /

Paris viel zu selbstsicher

Macron überschätzt seinen Einfluss in Syrien, glaubt Der Standard:

„Beflügelt von seinem Erfolg will der französische Präsident jetzt auch das diplomatische Heft in die Hand nehmen und eine 'politische Lösung' für Syrien vorbereiten. Und diese soll, wie Medien berichten, 'Russland, die Türkei und den Iran einbinden'. Das wäre in der Tat eine sehr selbstsichere französische Wahrnehmung der syrischen Realität, wo die Gestaltung von Gegenwart und Zukunft derzeit völlig unter Ausschluss des Westens geschieht, trotz des Militärschlags. Moskau, Teheran und Ankara machen derzeit die Sache unter sich aus, sie sind bestens 'eingebunden'. Die Uno-Gespräche in Genf oder auch in Wien, wo sich bereits früher externe Syrien-Akteure getroffen haben, liegen lahm.“

Frankfurter Rundschau (DE) /

Berlin muss Europa hinter sich scharen

Als stärkstes Land der EU müsste Deutschland viel mehr tun, damit die Stimme Europas vernehmbar wird, findet die Frankfurter Rundschau:

„Konkret hätte dies zum Beispiel bedeutet, vor dem von Donald Trump angekündigten Raketenangriff sofort ein Sondertreffen des Europäischen Rates, also der EU-Regierungschefs, oder zumindest doch der Außenminister zu organisieren. Und wenigstens zu versuchen, dort eine gemeinsame Position gegen die nochmalige militärische Eskalation zu finden, neue diplomatische Initiativen zu starten und als Westen endlich einzugreifen in die syrische Tragödie, die angesichts der Flüchtlinge längst auch eine europäische ist. Gewiss, so etwas kann auch scheitern. Führung und Verantwortung zu übernehmen birgt immer Risiken. Aber von Verantwortung zu reden und nichts zu tun, ist für ein Land von der Bedeutung und dem Anspruch Deutschlands zu wenig.“

Al-Hayat (SA) /

Eine Botschaft an Moskau

Der Militärschlag war vor allem ein Signal des Westens an Russland, glaubt Politikwissenschaftler Khalid al-Dakhil von der saudi-arabischen Zeitung Al-Hayat:

„Das Ziel war nicht die militärische Schwächung des Assad-Regimes oder der Schutz des syrischen Volks. Eine klare Strategie, das Gemetzel - mit oder ohne chemische Waffen - zu beenden, fehlt. Auch die Forderung nach einem Abzug ausländischer Milizen wurde nicht gestellt. ... Getroffen werden sollte vor allem Russland. Zu verstehen ist dieser Schritt vor dem Hintergrund der derzeitigen Konfrontation zwischen dem Westen und Russland - genauer gesagt zwischen den USA und Russland. Putin sollte dafür bestraft werden, dass er immer wieder den Westen herausfordert, in Syrien und in Europa.“

Blog Pitsirikos (GR) /

Humanitäre Gründe nur vorgeschoben

Der Einsatz des Westens in Syrien ist heuchlerisch, findet Blogger Pitsirikos:

„Die USA und ihre Verbündeten sind empört über den Einsatz von Chemikalien gegen Kinder. Aber den USA und ihren Verbündeten ist es egal, wenn diese Kinder von ihren Waffen getötet werden oder im Mittelmeer ertrinken. … Sogar der dümmste Bürger der westlichen Länder weiß mittlerweile, dass die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten seit Jahren den Nahen Osten und Afrika nur wegen des Reichtums der Länder dort zerstören. Das heißt, die Kriege werden für das Geld durchgeführt. … Alle Kriege der Weltgeschichte wurden für das Geld geführt. Warum sagen das die Führer des Westens nicht deutlich? Warum suchen sie nach einer 'humanitären' Legitimierung, um den Tod zu bringen?“

112.ua (UA) /

Globale Führungskrise ist beendet

Die USA sind als Weltpolizist zurück, analysiert Politologe Heorhij Kuchalejschwili bei 112.ua:

„Die Republikaner geben Teheran und Pjöngjang zu verstehen, dass die Zeiten des 'Neustarts' und der Unentschlossenheit des demokratischen Ex-Präsidenten Barack Obama zu Ende gehen und diese nun eine konstruktive Außenpolitik führen und keine internationalen Spannungen provozieren sollten. Andernfalls werden die US-amerikanischen Tomahawks zu ihnen fliegen. Mit den präzisen Schlägen in Syrien versuchen die USA zu zeigen, dass sie als Weltpolizist zurückkehren und nach der alleinigen Führung in der von Instabilität und bewaffneten Konflikten zerrissenen multipolaren Welt streben.“

Jutarnji list (HR) /

Angriff kommt Westen gelegen

Der Angriff auf Assad kommt den Staats- und Regierungschefs der drei beteiligten Ländern im Moment aus verschiedenen Gründen gut gelegen, analysiert Jutarnji list:

„Trump kann von der Untersuchung der Mauscheleien mit den Russen vor der Wahl ablenken. Theresa May imitiert angesichts der Schwierigkeiten bei den Brexit-Verhandlungen ihre einzige weibliche Vorgängerin in der Downing Street [Margaret Thatcher], der der Falkland-Krieg die Popularität rettete. Eine Demonstration der Stärke im Ausland kommt auch Macron gelegen: Die Eisenbahner streiken und er schafft es nicht die Eurozone zu reformieren.“

Rzeczpospolita (PL) /

Deutsche Sicherheitspolitik nur heiße Luft

Angesichts der Nicht-Beteiligung an den Luftschlägen in Syrien, fragt Rzeczpospolita, ob Deutschland ein verlässlicher Partner für den Westen ist:

„Den lauten Ankündigungen der Deutschen zum Trotz, Europa werde wegen der Verrücktheit Trumps in Sicherheitsfragen selbstständig, zeigt sich jetzt angesichts des konkreten Konflikts, dass die deutsche Sicherheitspolitik nicht mehr ist als PR und heiße Luft. Wie ein Bumerang kehren daher alte, fundamentale Fragen zurück, die auch für uns in Polen wichtig sind: Auf welcher Seite werden die Deutschen stehen, wenn es zu einem Konflikt mit Russland kommt? Auf der Seite des Westens und dessen Sicherheitsinteressen oder auf der Seite der Interessen von Nord Stream?“