Was ist vom Migrationskompromiss der EU zu halten?
Die Staats-und Regierungschefs der EU wollen die Grenzschutzagentur Frontex stärken und in der EU Aufnahmezentren für Bootsflüchtlinge errichten. Diese sollen dann umverteilt werden in Länder, die sie freiwillig aufnehmen. Kommentatoren linker und linksliberaler Medien lenken das Augenmerk auf das Schicksal der geflüchteten Menschen, die unter der Abschottungspolitik leiden.
Tragödie aus dem Bewusstsein verbannt
Die fatalen Folgen der neuen europäischen Migrationspolitik werden den Menschen nicht bewusst gemacht, beobachtet der linke Philosoph Gáspár Miklós Tamás in Kettős Mérce:
„Die Mainstream-Medien, die recht ungenau als 'liberal' bezeichnet werden, banalisieren und normalisieren das, was passiert, sie ertränken es in unwichtigen taktischen Details. Und das Publikum, auf diese Weise von der Verantwortung, der Verpflichtung erwachsener Menschen befreit, muss die Tragödie so nicht einmal mehr wahrnehmen und kann zum Alltag übergehen. Filme ansehen, am Strand liegen, Tratschen, Flirten, Fahrradfahren, Herumhängen und Plaudern. Auch im schönen Sommer von 1944 gingen Tausende [in Budapest] auf der Donau rudern, auf der Margareteninsel wurde Musik gespielt und das Programm am 'Tag des Buches' war großartig.“
Menschenrechte zählen nicht mehr
Mit ihrem neuen Kurs in der Migrationspolitik begräbt die EU ihre Ideale, kritisiert Malta Today:
„Abgesehen davon, dass die EU keine Solidarität mit den Ländern an vorderster Front zeigt, scheint es diesem Ansatz auch an Selbstlosigkeit gegenüber berechtigten Asylbewerbern zu fehlen, die so viele Risiken eingehen, um überhaupt erst nach Europa zu kommen. Die einzige Botschaft von Bedeutung an den Rest der Welt ist, dass Europa keine Migranten will, Punkt. Ob das ausreichen wird, verzweifelte Menschen davon abzuhalten, an europäische Küsten gelangen zu wollen, wird sich erst beweisen müssen. Doch es ist klar, dass die EU damit ihren eigenen hohen Idealen zum Schutz von Menschenrechten sicher nicht gerecht wird.“
EU setzt auf ihre Abwicklung
Die EU hat auf dem Gipfel in Brüssel mit ihrer eigenen Abwicklung begonnen, spitzt der Kolumnist Giannis Kibouropoulos in Avgi weiter zu:
„Vor zwei Jahren wurde Ungarns rechtsextremer Nationalist Orbán als die Schande Europas dargestellt. Heute ist sein Programm die Grundlage der 'europäischen Lösung', die zur Rettung der Regierungskoalition von Merkel eingesetzt wird. Eine 'Lösung', die zu einer widersprüchlichen Wiedereinführung der Binnengrenzen der EU führt und zur Föderalisierung der externen Grenzen. Es ist ein Rezept für die Auflösung, kein Rezept für eine Lösung. ... Die Alternative für diejenigen, die die EU als irreversibel betrachten, wäre es, vom Grund auf neu anzufangen. Aber meines Wissens nach hat das niemand auf seiner Tagesordnung.“
"Union" wird zum Etikettenschwindel
Eine ernüchternde Bilanz des Gipfels zieht Spiegel Online:
„So sieht sie also künftig aus, die europäische Übernahme von Verantwortung für die Opfer von Krieg, Hunger und Vertreibung: Alles irgendwie schlimm, aber zum Glück kommen die nicht mehr zu uns. ... Bitter ist, dass die EU überhaupt nur noch mit harter Abschottung zusammenzuhalten scheint. In dieser Gipfelnacht hat sich eine 'Europe first'-Politik durchgesetzt, die aber tatsächlich eine Ansammlung von nationalen Alleingängen ist. Die EU-Mitglieder bewegen sich nur so lange und ohne jede Verpflichtung in eine gemeinsame Richtung, wie es ihren jeweiligen Partikularinteressen dient. Dass man sich unter Aufbietung aller vorhandenen Selbsthypnosekräfte dabei weiterhin 'Union' nennt, ist immer klarer als Etikettenschwindel zu erkennen.“
Ende der mutwilligen Untätigkeit
Der Brüsseler Gipfel markiert endlich eine Zäsur in der Migrationspolitik, kommentiert Mladá fronta dnes:
„Die Mehrheit der europäischen Regierungen suchte bis zuletzt Gründe, nichts gegen die zivilisatorische Bedrohung des Kontinents zu unternehmen. Angela Merkel verkörperte diese mutwillige Untätigkeit. Erst die unmittelbare Bedrohung ihrer eigenen Macht veranlasste sie und andere zum Umdenken. Spät und unfreiwillig sagen sie nun, dass gegen die Migrationswelle nur eine Festung Europa hilft. Dazu mussten sich Regierungen ändern, Protestparteien entstehen, und diese mussten sich durchsetzen gegen die etablierten Parteien und Mainstream-Medien. Europas Eliten haben den richtigen Weg eingeschlagen, aber nur, weil ihre Macht erodiert. Diese Macht ist das einzige, was sie wirklich interessiert.“
Den Worten sollten jetzt Taten folgen
Mariann Öry, Leiterin des Auslandsressorts der regierungsnahen Tageszeitung Magyar Hírlap, begrüßt den Entschluss, die Außengrenzen der EU besser zu schützen:
„Den Verpflichtungen müssen jetzt aber Aktionen folgen, denn wir haben schon öfter erlebt, dass die Problemlösung in Europa an diesem Punkt scheitert. Es kann gut sein, dass Conte zu Hause gelobt wird und auch Merkel die Regierungskrise übersteht - und dann bleibt wieder alles im Stau stecken. Dieses Drehbuch wäre schlecht für alle, denn erstens dürfen die Wähler nicht betrogen werden und zweitens ist das Migrationsproblem eines, das sich nicht von selbst löst, wenn wir es nur ausdauernd ignorieren. Der Grenzschutz und die Abschiebungen müssen realisiert werden.“
Muss Kroatien den Kompromiss ausbaden?
Da Kroatien nicht zum Schengenraum gehört, fürchtet Večernji list, dass das Land zum Auffanglager für Flüchtlinge wird:
„Wenn dies ein komisches Geschenk der Kanzlerin zum fünften Jahrestag des EU-Beitritts sein soll - Dankeschön, aber wir würden es mehr schätzen, wenn wir als jüngstes EU-Mitglied nicht durch Nato-Draht, Zäune, Stau an den Grenzen und nun eventuell verstärkte deutsche Grenzpatrouillen in Plovanija, Bregana, Macelj bis Mursko Središće von den anderen EU-Mitgliedern getrennt würden. Eine Lösung, die Kroatien zum Blinddarm der Union macht, zum isoliertesten EU-Mitglied, entspricht weder dem europäischen Gemeinschaftssinn noch den Interessen der EU oder Kroatiens.“
Flüchtlinge dürfen nicht in Europa anlanden
Flüchtlingslager in Afrika sind der einzig richtige Weg, um die Migration nach Europa zu stoppen, lobt Die Presse:
„Die Migranten werden als Geiseln der Schlepper genommen, die Drohung an die Regierungen ist das Absaufen von Schiff und Besatzung, wenn die illegale Einreise nicht geduldet wird. Samt den grauenhaften Bildern, die dann um die Welt gehen, und der Mitverantwortung, die der jeweiligen Regierung dafür zugeordnet wird. Solange diese Erpressung funktioniert, wird die illegale Migration über das Mittelmeer nicht zu stoppen sein. ... Die einzige wirkliche Lösung muss sein, konsequent und ausnahmslos nach dem Muster Australiens alle, die es versuchen, zuerst zu retten und dann nach Afrika zurückzubringen, niemals hingegen nach Europa. Punkt. Alles andere ist Larifari.“
Afrika aufbauen statt ausgrenzen
Das Geld für die Schaffung von Flüchtlingslagern in Afrika könnte sinnvoller eingesetzt werden, findet hingegen Der Standard:
„Seit dem verheerenden Kolonialismus hat Afrika derzeit die besten Chancen, aus seinem von europäischen Migranten verursachten Albtraum zu erwachen: Technologien wie das Internet und das chinesische Engagement bei der Verbesserung der Infrastruktur haben ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Und der ungarische Investment-Guru George Soros ist überzeugt, dass viele afrikanische Volkswirtschaften mit einem jährlich 30 Milliarden Euro umfassenden 'Marshallplan' in Schwung gebracht werden könnten. Wie viel den Europäern langfristige Lösungen wert sind, bleibt ihnen überlassen. Sie sollten nur bedenken, dass jeder in die Befestigung Europas investierte Euro unproduktiv, auf lange Sicht nutzlos ist - während dieselbe Münze, sinnvoll in Afrika investiert, allen zugutekommt.“
Italien hat nichts erreicht
Italien ist mit seinem Ziel, eine Reform der Dublin-Regeln zu erzwingen, kläglich gescheitert, analysiert La Repubblica:
„Niemand will die Reform des Dublin-Abkommens. Orbán, der kleine ungarische Mussolini, den die Lega zu ihrem Souveränismus-Modell erkoren hat, will keine obligatorischen Verteilungsquoten. Hotspots in den Herkunftsländern will Libyen nicht, Aufnahmelager über die EU verstreut wollen weder Merkel noch Macron. Wenn dies das Ergebnis ist, was bleibt von der wilden Kampagne von Matteo Salvini? Wenig oder nichts. Schuld haben die Regierungen einer EU, die, gefangen in ihren Egoismen, den national-populistischen Rechten den Strick reichen, an dem sie die EU aufhängen werden. Aber es ist auch die Schuld der Regierung eines Italiens, das keine Verbündeten gesucht hat.“