Urheberrecht: EU-Parlament legt Reform auf Eis
Das EU-Parlament hat die umstrittene Reform des Urheberrechts im Internet, die unter anderem Uploadfilter vorsah, vorerst abgelehnt. Das Plenum stimmte mit knapper Mehrheit dagegen, die Vorlage in die Mitgliedstaaten weiterzugeben. Kommentatoren diskutieren das Für und Wider der Reform und sehen es als ein Hoffnungszeichen für die Europapolitik, dass das Thema auf so viel Öffentlichkeit stößt.
Ein Lichtblick für Europa
Die gesellschaftliche Debatte über das Urheberrecht ist ein Hoffnungsschimmer, freut sich die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„Ein Vorhaben aus dem oft so fernen Brüssel trifft auf eine echte Debatte. Dies war kein Aufstand von Computerfreaks. Eine breite Zivilgesellschaft hat ein technisch wie rechtlich komplexes Vorhaben kritisch begleitet und vorläufig gestoppt. Dieser Genugtuung beraubt sich freilich, wer hinter jedem Kritiker des Plans einen Google-Lobbyisten vermutet, was zudem unverfroren ist: Gegen das Vorhaben wetterten auch Verbraucherschützer, Sozialdemokraten, Grüne, Liberale und sogar manche Konservative. ... Nun gilt es, die Kritik ernst zu nehmen. Was dann im Gesetzblatt landet, wird Ergebnis einer echten europäischen Debatte sein - das ist ein Lichtblick.“
Problematische Überwachungstechnik
Dass das EU-Parlament gegen die Urheberrechtsrichtlinie gestimmt hat, ist richtig, meint Der Standard:
„Durch die Vorabkontrolle sämtlicher ins Netz geladener Fotos und Videos hätte verhindert werden sollen, dass sich Youtube an der kreativen Leistung anderer bereichern kann. Klingt gut, hat nur ein klitzekleines Problem: die Realität. Google prüft schon seit Jahren alle Uploads über ein eigenes Filtersystem. Insofern wäre der Konzern von der Richtlinie gar nicht betroffen gewesen. Ganz im Gegensatz zu kleinen Unternehmen und Start-ups, die ebenfalls zu Vorabkontrollen verpflichtet worden wären. Dass man im Vorfeld keinerlei Ideen dazu lieferte, wie all das technisch umgesetzt oder gar finanziert werden soll und wie die daraus resultierende Überwachungsproblematik gelöst werden kann, passt da ins Bild.“
Mit Urheberschutz Fake News bekämpfen
Europa braucht die Reform dringend, ist sich El Mundo sicher:
„Die Ablehnung der Reform des Urheberrechts durch das EU-Parlament ist keine gute Nachricht. ... Der Text sah vor, dass sich die Dienstleister, die in Brüssel über eine starke Lobby verfügen und sich durch Werbeeinnahmen bereichern, die sie unter Nutzung fremder Inhalte erhalten, mit den Medien über die Autorenrechte einigen müssen. Letztere könnten dann Entschädigungen verlangen, sobald Artikel oder Zitate von ihnen benutzt werden. ... Die Reform wird in veränderter Form wieder ins EU-Parlament kommen. Sie muss angenommen werden. Nichts ist gratis, auch intellektuelle Arbeit nicht. Sie zu bezahlen, ist die beste Art, Fake News zu bekämpfen.“
Die geistige Arbeit aller schützen
Leider hat die Kampagne der Internetlobby Erfolg gehabt, klagt der US-Experte von Corriere della Sera, Massimo Gaggi:
„Jedem muss klar sein, dass es in diesem Streit um viel mehr geht als um den Schutz der Finanzierungskanäle einer Presse, die, obwohl sie sich in einer Krise befindet, immer noch überall in der Welt das wichtigste Instrument zur Verteidigung der Demokratie ist. Es geht um das Recht, den Wert der geistigen Arbeit zu verteidigen, die von großen und kleinen Akteuren auf jedem Gebiet geleistet wird. Und vor allem geht es darum, sich diesen Wert nicht kaputt machen zu lassen von denjenigen, die mit mächtigen Megaphonen irreführende oder falsche Slogans verbreiten, um eine von ihnen unerwünschte Maßnahme zu verhindern.“