Staaten können EU-Haftbefehl aus Polen ablehnen
Wegen der Justizreform muss ein EU-Haftbefehl aus Polen von anderen EU-Staaten künftig nicht mehr vollstreckt werden. Droht ein unfaires Gerichtsverfahren, können Gerichte anderer Länder somit entscheiden, Beschuldigte nicht nach Polen auszuliefern, urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Für Kommentatoren ist das Erleichterung und Katastrophe gleichermaßen.
Richtig und traurig zugleich
Das Urteil sagt viel über den Zustand aus, in dem sich Europa heute befindet, bemerkt die Süddeutsche Zeitung:
„Die Europäische Union ist eine Vertrauensgemeinschaft. Ihre Mitgliedsstaaten glauben einander, dass sie Demokratie, Freiheit und Rechtsstaat achten und bewahren. ... In letzter Zeit wird das Vertrauen in Europa aber strapaziert. Der Grundkonsens darüber, wie die Gesellschaften politisch zu gestalten sind, geht verloren. Dem Konzept der liberalen Demokratie westlicher Prägung setzt Ungarns Premier seine Idee einer 'illiberalen Demokratie' entgegen. Und in Polen betreibt die Regierung eine Justizreform, die die Gerichte deformieren soll - zum Werkzeug der Regierung. ... Die Entscheidung ist richtig und traurig zugleich. Sie zeigt, wie viel Vertrauen in Europa verloren gegangen ist.“
Verbrechensbekämpfung wird unmöglich
Von nun an werden Polizei und Justiz in Polen nicht mehr vernünftig arbeiten können, sorgt sich Gazeta Wyborcza:
„Dies ist nicht nur eine Niederlage für die Schöpfer der so genannten Justizreform der Partei Recht und Gerechtigkeit. Es ist eine Katastrophe für das ganze Land. Denn jetzt können sich Verdächtige im Ausland verstecken, was die Arbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft nutzlos macht, da die EU-Gerichte ihrer Auslieferung nicht zustimmen werden. Vor Gericht wird jede Verteidigung das Argument vorbringen, die Rechtsstaatlichkeit in Polen sei zerstört und die Justiz der Politik unterworfen. Die offiziellen Berichte der EU und des Europarats werden die Richter davon überzeugen, dass dies der Fall ist. In der Praxis wird Polen aus dem Europäischen Haftbefehl herausfallen.“