Ungarn gewährt Mazedoniens Ex-Premier Asyl
Eine Woche nach seiner Flucht nach Ungarn hat der mazedonische Ex-Premier Nikola Gruevski dort Asyl erhalten. In seiner Heimat war er wegen Korruption zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt worden, weitere Verfahren sind anhängig. Während einige Kommentatoren es richtig finden, dass Gruevski Schutz von Budapest erhält, wissen andere nicht, ob sie über diese Geschichte lachen oder weinen sollen.
Budapest will doch nur helfen
Die regierungsnahe Tageszeitung Magyar Idök verwehrt sich gegen den Vorwurf aus dem Oppositionslager, Ungarns Flüchtlingspolitik sei widersprüchlich:
„[Gruevskis] Verdienste allein geben ihm noch nicht das Recht, in Ungarn Flüchtlingsstatus zu erhalten. ... Sie und seine frühere Position sind aber der Grund dafür, dass er diesen erbittet. Und man kann wohl auch mit Recht behaupten, dass der mazedonische Staatsbürger Nikola Gruevski nicht irgendjemand ist. In diesem Fall ist es Ungarns Pflicht zu prüfen: Kann es helfen? Will es helfen? ... Vollkommen unabhängig von der Flüchtlingskrise gab es in Ungarn immer eine Einwanderungspolitik und das Land hat sich immer bemüht, denen zu helfen, die um Hilfe baten. ... Nur die Oppositionspresse hat das im Mediengewitter mit dem Kampf gegen die illegale Migration vermischt.“
Eine Geschichte für die Nationalfolklore
Geschichten wie die von der Flucht Gruevskis gibt es nur auf dem Balkan, spottet Webcafé:
„Früher scherzte man, dass Europa dort endet, wo die Toiletten anfangen zu stinken. Das war nicht lustig, aber es stimmte. Jetzt müsste der Witz so gehen: 'Europas Grenzen verlaufen entlang der Route des diplomatischen Konvois, der Nikola Gruevski von den Toren des Shutka-Gefängnisses in Skopje bis nach Budapest zu Orbán gebracht hat'. Diese Geschichte ist es wert, in die Nationalfolklore aufgenommen zu werden. ... Für immer ungeklärt wird aber bleiben, warum keine der Sicherheitsbehörden der Nachbarländer reagiert hat, als der frisch verurteilte Ex-Premier Mazedoniens ihnen beim Vorbeifahren auf dem Weg in die Freiheit mit einem weißen Tüchlein zuwinkte.“
Böses Omen für den Balkan
Das im Rekordtempo gewährte Asyl für Gruevski ist ein Fanal gegen die Rechtsstaatlichkeit, warnt Der Standard:
„Die Rückkehr der Rechtsstaatlichkeit in Mazedonien stellte die einzige positive Entwicklung in der gesamten Region in den vergangenen Jahren dar. ... Gruevskis gelungene Flucht [ist] ein schwerer Rückschlag für alle, die sich für Justizreformen und Transparenz einsetzen, und sie ist ein Affront gegenüber der EU-Kommission. Aufklärungsbedürftig ist, wieso der Expremier, dem schon vor langer Zeit der Pass abgenommen worden war, durch Albanien, Montenegro und Serbien reisen konnte, ohne angehalten zu werden. Jeder, der den Fall nur ein bisschen kannte, wusste, dass es sich um einen Verbrecher handelt. Wenn es stimmt, dass Ungarn dem Verurteilten ein Reisedokument ausgestellt hat, zeigt das auch, wie sehr Orbáns Einfluss auf dem Balkan gewachsen ist - ein böses Omen.“
Asylgesetze gelten nicht für Orbáns Freunde
So freundlich behandelt Ungarns Premier Orbán Migranten eigentlich selten, bemerkt Mérce:
„Zu den pikanten Details des Falles gehört auch, dass Gruevski nach den strengen Vorschriften des ungarischen Asylverfahrens 'illegal' die Grenze überschritten hat, denn er besitzt keinen Pass und müsste darum eigentlich gemeinsam mit anderen Flüchtlingen in einer Transitzone an der serbischen Grenze auf das Ende seines Asylverfahrens warten. ... Seine Freundschaft mit Viktor Orbán hat eine lange Geschichte. Wie sein ungarischer Kollege spaltet der Mazedonier gerne die Gesellschaft, brandmarkt seine politischen Gegner als Verräter und schimpft auf George Soros.“
Budapest windet sich
Gruevskis Flucht bringt die ungarische Regierung in eine unbequeme Situation, analysiert Népszava:
„Ungarns Justizminister muss nun darüber entscheiden, ob Gruevski, der als Erfinder der 'Stop-Soros'-Kampagne gilt, ausgeliefert wird, oder ob der Politiker, der wegen Korruption verurteilt wurde und gegen den in vier weiteren Fällen Verfahren laufen, Asyl bekommt. Wie unangenehm die Situation für die ungarische Regierung ist, zeigt die unkoordinierte Kommunikation des Kabinetts und der Regierungspartei Fidesz. Das Außenministerium äußert sich nicht, das Ministerium des Ministerpräsidenten signalisiert, es handele sich um eine 'juristische Frage' und der Pressesprecher des Fidesz ließ verlauten: 'Ungarn gewährt allen Verfolgten Schutz und Nikola Gruevski wird von der mazedonischen Regierung verfolgt und bedroht, die unter dem Einfluss von George Soros steht.'“