Was taugt Pikettys Plan zur Rettung Europas?
Der Ökonom Thomas Piketty hat in einem Manifest zur Rettung Europas aufgerufen. Gemeinsam mit Dutzenden Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft schlägt er vor, europaweit Steuern auf Unternehmen, Reichtum, Vermögen und CO2 zu erheben und das Geld für soziale Zwecke einzusetzen. Dem Kontinent fehle es an einer sozialen Ambition, was zum Erstarken antieuropäischer Bewegungen beitrage, so Piketty.
Wichtiger Impuls für Gerechtigkeitsdebatte
Die EU hat bis heute viel zu wenig gegen die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich getan, gibt The Guardian Piketty recht:
„Es ist eine Tragödie, dass die EU überall auf dem Kontinent zu einem Sündenbock für soziale Spannungen geworden ist, für die sie nichts kann. Nirgendwo ist das offensichtlicher als in Großbritannien. Es gibt ein wachsendes Bewusstsein für einen Mangel an finanzieller und sozialer Gerechtigkeit in Europa. Trotz dieser existenziellen Bedrohung hat die EU bisher kaum mit konkreten Maßnahmen und nur mit vagen Versprechungen reagiert. ... Angesichts der höchst unterschiedlichen Lebensstandards in verschiedenen Teilen Europas ist das ein großes Versäumnis. Jetzt braucht es praktische Maßnahmen, um guten Absichten Leben einzuhauchen. Thomas Piketty verdient Applaus dafür, dass er diese Diskussion losgetreten hat.“
An der Realität vorbei
Das Manifest ist ein interessanter Denkansatz, der aber in der Praxis chancenlos bleiben könnte, meint Dennik N:
„Eine Unternehmenssteuer von 37 Prozent für Großkonzerne etwa wäre sehr umstritten. Die Slowakei wäre sicher nicht einverstanden damit, dass die wichtigsten Investoren des Landes plötzlich doppelt so hohe Steuern zahlen müssten wie derzeit. Die Reaktion auf eine Kohlendioxidsteuer sehen wir gerade in Frankreich. Als Präsident Macron beschloss, die Preise für fossile Brennstoffe anzuheben, was einer CO2-Steuer gleichkommt, folgten gewaltsame Proteste. ... Andererseits: In den vergangenen Jahren wurden die Themen und die Stimmung in der EU häufig von extrem rechts bestimmt. Es war nur eine Frage der Zeit, wann sich die Linke dagegen wehren würde.“