Sollte Masernimpfung Pflicht werden?
Angesichts drastisch gestiegener Zahlen von Masernfällen wird in mehreren Ländern Europas über eine Impfpflicht diskutiert. Wie die WHO im Januar mitteilte, verfünffachte sich die Zahl der Masernfälle in Europa im Jahr 2017 im Vergleich zum Vorjahr. Journalisten setzen sich kritisch mit der Forderung nach einer verpflichtenden Impfung auseinander.
Die Schwächsten schützen
Die Freiheit Einzelner kostet in diesem Fall Menschenleben, beobachtet Lidové noviny:
„Unter Hinweis auf die Menschenrechte kann niemand in Europa zu Impfungen gezwungen werden. Damit schadet aber eine Minderheit objektiv der Mehrheit, die sich impfen lassen möchte. Dieser Zustand wird für Menschen den Tod bedeuten. Von eintausend Maserninfizierten stirbt einer. Meist Leute mit einem schwachen Immunsystem, sehr junge und sehr alte. Aber die zählen ja wohl auch. Wird uns die Impffreiheit so lange heilig sein, bis die Zahl der Toten wächst?“
Kampf um den gesunden Menschenverstand
Die Debatte um das Impfen ist durch Verschwörungstheorien vergiftet, kritisiert Berlingske:
„Als das Staatliche Serum-Institut kürzlich erneut mitteilte, dass es unmöglich ist, einen Zusammenhang zwischen Impfstoffen gegen Gebärmutterhalskrebs und Autismus herzustellen, haben prominente dänische Internetportale Zweifel an der Wissenschaft gesät. ... Es bleibt nichts anderes zu tun, als für den gesunden Menschenverstand zu kämpfen. Dabei müssen Politiker, Medien und Behörden ihren Beitrag leisten. Es ist auch gut, dass Facebook mitgeteilt hat, dass die Plattform in Zukunft keine Annoncen schalten wird, die Desinformation über Impfstoffe enthalten. Bisher haben die sozialen Medien eine unheilige Rolle gespielt und Beiträgen mit extremer Impfskepsis höhere Priorität eingeräumt als wertvolleren Informationen über Impfungen.“
Es geht auch ohne Zwang
Eine Impfpflicht ist nicht nötig, um das Problem der schlechten Impfquoten zu lösen, meint Die Welt:
„Die meisten Ungeimpften sind keine Impfverweigerer, sondern Impffaule und Impfvergesser. Würden sie häufiger erinnert - etwa von den Krankenkassen oder von ihrem Hausarzt - und müssten nicht extra einen Arzttermin vereinbaren, dann wäre schon viel gewonnen. Denkbar ist zum Beispiel, dass Kinder die Spritze in Kita oder Schule und Erwachsene sie beim Gesundheitsamt erhalten. Bürokratische Hürden ab- und ein professionelles Impfwesen aufbauen - so könnte man die Masern mit großer Wahrscheinlichkeit ausrotten. Ohne Pflicht und Rechtsverordnung.“
Strenge Regeln für Krankenhäuser
Die Zahlen sprechen für sich, findet der Kurier:
„Wer Masern nach dem Motto 'Was einen nicht umbringt, macht einen stärker' verharmlost, kennt die Fakten nicht oder will sie nicht sehen: In der EU sind 37 Menschen alleine im Jahr 2017 an Masern gestorben (weltweit sogar bis zu 160.000). Jede fünfte Erkrankung muss im Spital behandelt werden - ganz zu schweigen von den (nachgewiesenen!) gesundheitlichen Folgen einer durchgemachten Masernerkrankung. Absurd, wenn man bedenkt, dass die Krankheit längst ausgerottet sein könnte. Höchste Zeit, den Mut für eine Impfpflicht aufzubringen - zumindest für Spitalsbedienstete.“
Ärzte müssen wieder zu Autoritäten werden
Da ein Masernverdacht erstmals zur Schließung einer Kantine im tschechischen Parlament geführt hat, hofft Lidové noviny auf ein Handeln der Politik:
„Noch sind die Abgeordneten alle gesund und munter. Früher oder später werden sie sich aber dem Problem widmen müssen. ... Das Impfen ist zu einem politischen Zankapfel geworden. Für die Mehrheit der Bevölkerung ist es eine vernünftige Maßnahme, um die Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern. Eine Minderheit hält Impfungen für gefährlich und wirkungslos. Rationale Argumente scheinen in diesem Streit kein Gehör zu finden. Doch allein schon durch die Reisefreudigkeit der Menschen werden Masern immer wieder eingeschleppt. Sicher ist, dass es ohne Impfungen nicht geht. Wir müssen darüber nachdenken, weshalb die Autorität unserer Ärzte verfliegt und wie man sie erneuert.“