Deutsche Reporter müssen Türkei verlassen
Die Türkei-Korrespondenten des ZDF und des Tagesspiegel, Jörg Brase und Thomas Seibert, haben am Sonntag das Land verlassen. Ankara hatte ihnen die Verlängerung ihrer Presseausweise verweigert, an die die Aufenthaltsgenehmigung geknüpft ist. Kommentatoren kritisieren den Umgang mit den Journalisten und glauben, dass dies für die Türkei nach hinten losgehen wird.
Wenn Journalisten zu "Terroristen“ werden
Wie die Türkei internationale Medien behindert, ist bizarr, kritisiert die Tageszeitung Die Presse:
„In der türkischen Justiz verteidigt man dieses Vorgehen mit der Leitlinie: 'Wer von Terroristen berichtet, ist selbst ein Terrorist.' Dieses Argument ist freilich bizarr. Denn über jemanden zu berichten oder jemanden zu interviewen, heißt ja keineswegs, dessen Taten gutzuheißen oder gar dieselben Ziele zu verfolgen. Auch in Israel stationierte Korrespondenten internationaler Medien berichteten immer wieder aus dem von der islamistischen Hamas kontrollierten Gazastreifen. ... In Haft kam von ihnen dafür aber - natürlich völlig zu Recht - niemand.“
Türkei exportiert Angst
Das Auswärtige Amt hat am Wochenende seine Reisewarnung für die Türkei verschärft. Das Statement spricht Bände, betont das oppositionelle Internetportal Artı Gerçek:
„Deutschland erklärt darin, dass die Türkei beim Thema Gedanken- und Meinungsfreiheit in einer anderen Welt, einem anderen Zeitalter lebt. Es ist offensichtlich, wie die türkische Führungsriege auf rüde Weise das Klima für Gedanken-, Meinungs- und Pressefreiheit im Land vergiftet hat. Doch sie beschränken das nicht nur auf das eigene Land, sondern tragen das auch ins Ausland, nach Deutschland, nach ganz Europa. In der Türkei haben sie die Presseausweise hunderter [einheimischer] Journalisten annulliert. Journalisten, die nicht regierungsnah sind, haben sie keinerlei Lebensraum gelassen. Jetzt ist die internationale Presse an der Reihe.“
Der Schaden liegt bei Ankara
Die Türkei schneidet sich mit der Ausweisung ins eigene Fleisch, ist der Türkei-Korrespondent des Handelsblatt, Ozan Demircan, überzeugt:
„Wenn sich nämlich deutsche Mittelständler nicht mehr so umfassend wie bisher über gute Standortbedingungen in der Türkei informieren können, dann bauen sie neue Werke möglicherweise in Osteuropa oder Asien. Etwa der Weltkonzern Volkswagen, der für ein neues Werk zwischen der Türkei und dem Balkan schwankt. Deutsche Touristen, die nicht mehr lesen, dass türkische Hotels wegen der schwachen Lira ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten, fliegen nach Griechenland. Es sind Journalisten, die diese Nachrichten übermitteln. Will die Türkei eine Aussöhnung mit den Partnern im Westen, muss sie sich öffnen. Und sich trauen, kritische Berichterstattung zuzulassen.“