Griechen gehen früher an die Urnen
In Griechenland finden am 7. Juli vorgezogene Parlamentswahlen statt. Premier Tsipras hatte den Schritt nach der Europawahl angekündigt, bei der seine linksgerichtete Syriza-Partei fast zehn Prozentpunkte hinter der konservativen Oppositionspartei Nea Dimokratia landete. Die Parlamentswahl wäre regulär im Herbst gewesen. Worum geht es bei der Abstimmung?
Bürger setzen wieder auf Familienclans
Bei den Neuwahlen geht es nicht nur um Innenpolitik, kommentiert La Vanguardia:
„Nea Dimokratia-Kandidat Kyriakos Mitsotakis ist der Sohn eines konservativen Ex-Premiers und die Griechen scheinen wieder auf die alten Rezepte der Familienclans vertrauen zu wollen. Diese Wahlen sind für Griechenland nicht nur mit Blick auf die nationale Politik entscheidend, sondern - nach Verlassen des Euro-Rettungsschirms - auch in Bezug auf die Beziehung zur EU in deren Doppelrolle als Alliierte und Gläubigerin. Tsipras galt als Symbolfigur des Widerstands gegen die Sparpolitik. Nun könnte es sein, dass er für die nicht gehaltenen Versprechen einen Preis zahlen muss. Er verweist darauf, dass er das Land aus der Spirale der Krise befreite. Doch für viele Griechen ist er einer, der sein Wort gebrochen hat.“
Wähler wollen sich an Tsipras rächen
Blogger Pitsirikos ist enttäuscht von den griechischen Wählern:
„Alexis Tsipras ist bereits Teil einer langen Liste griechischer Ministerpräsidenten, die endlose Lügen verbreitet und das Gegenteil von dem getan haben, was sie versprachen. ... Die Griechen werden nun Mitsotakis wählen, um sich an Tsipras zu rächen. Wir leben in einem Land, in dem es Tausende von Menschen gibt, die [bei den vergangenen Wahlen] die rechtsradikale Goldenen Morgenröte gewählt haben, um sich an den Politikern zu rächen, sich aber damit letztlich selbst bestraft haben. Mit der Wahl von Mitsotakis werden sie sich erneut bestrafen. Er verspricht eine andere Wirtschaftspolitik mit niedrigen Steuern, schnelleren Reformen und mehr Investitionen. Natürlich sagt er nicht, wie dies in einem hochverschuldeten und verpfändeten Land geschehen soll. Und keiner fragt nach.“
Syriza muss zurück zu ihren Wurzeln
Die bisherige griechische Regierungspartei Syriza muss sich nun ins Zeug legen, findet die linke Tageszeitung Efimerida ton Syntakton:
„Die Partei muss sich an ihre Wurzeln erinnern. Sie muss wieder dem Weg folgen, dem sie zuvor gefolgt war, für das kämpfen, was sie in der Regierung vergessen hat, sich einen Plan für die Entlastung des Volkes ausdenken und vor allem dessen Herz ansprechen. All dies muss auf eine ehrliche und kämpferische Weise geschehen. Nicht mit Beschwerden und geschmacklosen Parolen, sondern mit Weisheit und Konsequenz, mit einer Rhetorik, die zum Ethos der Linken passt. Das wollen die Leute. Eine Regierung, die sich wirklich langfristig um sie kümmert und ihre Stimmen nicht als selbstverständlich betrachtet.“
Wählen, bevor es zu spät ist
Die konservative Kathimerini freut sich über die vorzeitige Neuwahl:
„Eine längere Periode vor der Wahl würde die Wirtschaft erlahmen lassen und möglicherweise zu einer vollständigen Entgleisung der öffentlichen Finanzen führen. Innerhalb weniger Monate hätte viel Schaden angerichtet werden können. Gleichzeitig erfordern die wachsenden Spannungen in den Beziehungen zur Türkei eine starke Regierung. Es wäre vielleicht zu früh zu behaupten, dass die Ära des grenzenlosen Populismus zu Ende ist. Doch es ist bemerkenswert, dass das griechische Volk in einer Zeit, in der der Rest Europas in die Stürme von Populismus und Nationalismus verwickelt ist, reif abgestimmt hat.“
Premier ohne Optionen
Griechenlands Premier Tsipras blieb keine andere Wahl, kommentiert Ta Nea:
„Es ist eine Botschaft und Forderung, die der Premier nicht ignorieren durfte, so sehr er versuchte, seine verheerende Niederlage zu beschönigen. Die Ausrufung der vorzeitigen Parlamentswahl war die einzige Option. Die Regierung war verpflichtet, das Urteil des Volkes zu respektieren. ... Die Regierungspolitik wurde verurteilt und die vier Monate, die der Regierung in ihrer vierjährigen Amtszeit bleiben [bis zum regulären Wahltermin im Oktober], würden nicht ausreichen, um die in der griechischen Gesellschaft fest verankerte Ablehnung in Zustimmung zu verwandeln.“
Schluss mit Populismus und Spaltung!
To Vima hofft auf eine neue Epoche für Griechenland:
„Tsipras hat vier Jahre regiert, indem er das griechische Volk spaltete, seine politischen Gegner ins Visier nahm und Institutionen untergrub. Wie er selbst eingestand, erlag er einer Reihe von Selbsttäuschungen und führte das Land in wirtschaftliche Abenteuer, um später doch die von ihm verhassten Maßnahmen umzusetzen. Dennoch gab er seine ideologischen Fixierungen nicht auf und unterzog die Wirtschaft und die Gesellschaft einem Härtetest mit Überbesteuerung, um die Primärüberschussziele noch zu übertreffen und das Geld als vermeintlicher Beschützer der Armen zu verteilen. Griechenland und seine Bürger suchen nach vielen Jahren der Opfer einen Weg, der wahre Hoffnung bietet. Es ist Zeit, dass sich der Kreislauf von Populismus und Spaltung schließt.“