Warum stürzten die Sozialdemokraten ab?
Die Parteien der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten (S&D) mussten in vielen Ländern herbe Verluste hinnehmen, die Fraktion verliert 34 Sitze. Allein in Spanien und Portugal dominieren sie das Ergebnis, die Abgeordneten der spanischen PSOE stellen künftig die größte Gruppe innerhalb der Fraktion. Kommentatoren analysieren ihren Erfolg und das Debakel der europäischen Schwesterparteien.
Was die PSOE anders macht
Spaniens Sozialisten von der PSOE sind stark aus der EU-Wahl hervorgegangen und stellen damit eine Ausnahme dar, beobachtet El Mundo:
„Die Sozialdemokratie kränkelt in Frankreich, fällt in Deutschland hinter die Grünen zurück, in Italien atmet sie auf, bleibt aber ohne Einfluss, in Griechenland existiert sie seit fünf Jahren fast nicht mehr, in Belgien ist sie irrelevant, nur in den Niederlanden stellt sie die Liberalen in den Schatten. Allein in Portugal ist sie dominant. Die PSOE ist EU-weit die stärkste sozialdemokratische Kraft. Allerdings gelang ihr das, indem sie neue linke politische Forderungen übernahm. Diese haben mehr mit dem Aufbrechen von Privilegien und der Unterstützung neuer Identitäten und Lebensformen zu tun als mit dem Schaffen und Umverteilen von Einkommen und Wohlstand.“
Linke sollten von Rechtsextremen lernen
Europas Rechtsextreme haben gezeigt, wie man effektiv mobilisiert, analysiert The Independent:
„Im EU-Wahlkampf gab es zu keinem Zeitpunkt einen abgestimmten Versuch der größten sozialdemokratischen Parteien, auf einer gemeinsamen Plattform aufzutreten, eine Zusammenkunft zu organisieren, sich mit Europa als gemeinsamem Projekt auseinanderzusetzen oder die eigenen Aktivisten in Überlegungen zur Zukunft Europas einzubinden. ... Zu keinem Zeitpunkt haben sie versucht, zu verstehen, warum die Rechte so erfolgreich in ihrem Bemühen war, die Kluft zwischen Volk und Volksvertretern zu schließen. ... Die rechtsextreme Internationale ist da. Wann wird die Linke aufwachen?“
Tschechiens Sozialdemokraten auf Schlingerkurs
In Prag sind die Sozialdemokraten Teil der tschechischen Regierung, aus dem EU-Parlament sind sie hingegen herausgeflogen. Ihnen fehlt ja auch ein klarer europapolitischer Kurs, meint Hörfunksender Český rozhlas:
„Obwohl wir von Euroskeptikern hören, dass die europäische Integration ein linkes Projekt ist, können linke Parteien in Tschechien ihren Sympathisanten nicht erklären, warum es wichtig ist, sich für die EU zu interessieren. Der Kern der Wählerschaft schrumpft. Ein Teil flirtet mit den Piraten und anderen Parteien in der Mitte. Die Sozialdemokratie erweckt den Eindruck, dass sie ein bisschen für die europäische Integration und ein bisschen dagegen ist.“
Streit bringt Frankreichs Linke nicht weiter
Die französische Linke ist am Ende, glaubt Causeur:
„Die traditionelle Linke bringt es heute nicht einmal mehr auf 20 Prozent. ... Sie hat sich in Kleinstparteien aufgespalten, die sich über philosophische und soziale Fragen zerstreiten, oder - ganz banal - über Fragen, die das Ego ihrer jeweiligen Vorsitzenden betreffen. ... Die etwa 15 Prozent der Stimmen, die die Grünen bekamen, ändern daran nichts. Denn jeder weiß, dass sie bei der Europawahl einen Vorteil haben, und dass dieses Ergebnis bei einer nationalen Wahl anders aussähe.“