MH17-Abschuss: Mordanklage gegen vier Männer
Knapp fünf Jahre nach dem Abschuss von Passagierflug MH17 sind Haftbefehle gegen drei Russen und einen Ukrainer erlassen worden. Ihnen wird Mord an 298 Menschen vorgeworfen. Moskau streitet weiter jede Schuld an dem Vorfall ab. Der Prozess gegen die vier Männer soll im März 2020 beginnen. Kommentatoren beschäftigen sich mit der Rolle Russland.
Gute Nachrichten für Russland
Mit der Identifizierung von vier Einzeltätern entlasten die Niederlande Russland, bemerkt Rzeczpospolita:
„Der Fall der MH17, die über dem Donbass abgeschossen wurde, erinnert zunehmend an den berühmten Lockerbie-Anschlag von 1988, für den die UN Libyen verantwortlich gemacht haben. Damals kamen 270 Passagiere ums Leben, die von London nach New York flogen. Erst im Jahr 1999 hat Libyens Staatschef Muammar al-Gaddafi die Täter (libysche Geheimdienstler) herausgegeben, aber hinzugefügt, dass 'sie nicht im Namen des libyschen Staates' gehandelt hätten. Dies führte zur Abschaffung der schmerzhaften Sanktionen durch die Vereinten Nationen.“
Auch Moskau muss zur Aufklärung beitragen
Man muss Russland dazu bewegen, die Ermittlungen zu unterstützen, fordert De Volkskrant:
„Bisher hat Moskau nur Sand ins Getriebe der Untersuchungen gestreut. Russland lancierte eine irreführende Theorie nach der anderen, die sich oft auch noch widersprachen, nur um den eigenen Anteil an der Katastrophe zu verschleiern. Durch die Vorladungen dreier Russen steht Moskau wirklich unter Druck. Werden die Vorladungen zugestellt? Werden die Verdächtigen verhört? Stellt Moskau seine Sabotageaktionen nicht ein, wird es Zeit, den diplomatischen Druck zu erhöhen. Selbst wenn die Auslieferung der Verdächtigen nicht beantragt wird, ist Russland verpflichtet, an den strafrechtlichen Ermittlungen mitzuarbeiten.“
Russland pfeift auf internationale Regeln
Dass die vier mutmaßlichen Täter zur Verantwortung gezogen werden, bezweifelt der Deutschlandfunk:
„Girkin und Dubinskij leben unbehelligt in Russland, Girkin als eifriger politischer Kommentator. Und daran wird sich kaum etwas ändern. Selbst bei einer Verurteilung wird der Kreml sie kaum ausliefern. Das gilt auch für die beiden anderen Beschuldigten. Sollten sie noch leben, werden auch sie problemlos Unterschlupf in Russland finden. ... Der Fall ist nur ein weiteres, krasses Beispiel für das Verhalten Russlands insgesamt: Es pfeift auf internationale Regeln und auf internationales Recht - und stellt damit eine ständige Gefahr für den Frieden in Europa dar. Das sollte man denen immer wieder klar und deutlich sagen, die nach einer Lockerung der Sanktionen rufen.“
Täter sehen Gericht erst als Greise
Eine Verurteilung der mutmaßlichen Massenmörder wird es, wenn überhaupt, erst in ferner Zukunft geben, glaubt Echo Moskwy:
„Vermutlich wird Russland vorschlagen, die Verhandlung über die 'glorreichen Vier' in ein russisches Gericht zu verlegen, worauf sich der Westen wohl kaum einlassen wird. ... Aber 'sag niemals nie'. Denn falls Russland die Angeklagten nicht ausliefert, drohen Russland angesichts dieses Kardinalverbrechens harte Sanktionen. ... Putin pfeift da natürlich drauf, doch kann man dies auch über jeden beliebigen Nachfolger sagen? Falls dieser kein irrer Ultrapatriot ist, muss er die Beziehungen zum Westen irgendwie wieder einrenken. ... Deshalb könnte es passieren, dass diese und andere Verdächtige doch noch ausgeliefert werden - aber erst in vielen Jahren, wenn ihre Namen sowie die Idee von 'Neurussland' von ganz anderen Problemen überlagert werden.“
Diesmal könnten Sanktionen wirken
Noch mehr wirtschaftlicher Druck ist das beste Mittel, um den Kreml zur Kooperation zu zwingen, rät Financial Times:
„Wenn Moskau sich weigert, die Verdächtigen auszuliefern, wird die internationale Gemeinschaft wohl nicht darum herumkommen, die Sanktionen zu verschärfen. Die russische Wirtschaft hat den Maßnahmen, die seit 2014 verhängt wurden, getrotzt. Doch stockendes Wachstum und inflationsbereinigt fallende Einkommen heizen eine 'Proteststimmung' an, wie es Meinungsforscher nennen - und das vor dem Hintergrund von Wladimir Putins jährlichem Fernsehauftritt am heutigen Donnerstag, bei dem ihn Bürger anrufen können. Der Präsident hat einen feindselig gestimmten Westen dafür verantwortlich gemacht, Russland ganz bewusst zu einer 'belagerten Festung' gemacht zu haben. Das hat bisher gezogen. Doch auf ewig wird Putin damit möglicherweise nicht durchkommen.“
Es geht auch um Putins Chefideologen
Die Beweise reichen bis in den Kreml, betont Volkskrant-Kolumnist Bert Wagendorp:
„Das Schicksal der MH17 ist Symbol für den Angriff auf die Wahrheit, nicht nur die rund um das abgeschossene Flugzeug. Es geht auch um den Versuch der Manipulation aller Wahrheiten. ... Auch der Name des Showrunners des Angriffs wurde auf der Pressekonferenz genannt: Wladislaw Surkow. ... Surkow ist früherer Vize-Premier und nun wichtigster Berater von Präsident Putin. ... Surkows Motto ist: Wer die Wahrheit kontrolliert und nach Belieben manipulieren kann, der regiert die Welt. ... Die Staatsanwaltschaft hat nicht nur die Aufgabe, die Schuld der vier Männer zu beweisen. Sie nimmt es auf mit dem 'Puppenspieler' und damit auch direkt mit Wladimir Putin.“