USA und Türkei: Streit über Kampfjet-Programm
Ankara hat den Ausschluss der Türkei aus dem Programm zur Nutzung des Kampfjets F-35 als schweren Fehler bezeichnet. Wegen des Kaufs russischer S-400-Luftabwehrraketen erhält die Türkei keine F-35-Kampfflugzeuge mehr und wird nicht mehr an deren Produktion beteiligt, hatte das Weiße Haus zuvor mitgeteilt. Was sind mögliche Konsequenzen dieses Schritts?
Türkei ist für Nato unverzichtbar
Jetzt auch die Nato-Mitgliedschaft der Türkei infrage zu stellen, wäre eine Kurzschlusshandlung, warnt Die Welt:
„Die Allianz hat nicht nur im Baltikum, sondern auch im Schwarzen Meer, im Nahen Osten und im Mittelmeer Interessen zu wahren. Der Austritt Ankaras aus der Nato würde den Bosporus für große Nato-Schiffe versperren. Er würde Russland theoretisch die Chance geben, eine weitere Marine- oder Luftbasis im Mittelmeer zu errichten. Er würde zugleich, und das wäre am gefährlichsten, den latenten Konflikt zwischen der Türkei und Griechenland zu einem ständig drohenden Nato-Bündnisfall nach Artikel 5 erheben. Es wäre eine völlig neue Frontstellung mit unabsehbaren Weiterungen.“
Ankara kann Raketen nicht sinnvoll einsetzen
Ankaras Kauf des russischen S-400-Systems ist militärstrategisch unsinnig, findet Karar:
„Während wir mit unseren Verbündeten zusammen das F-35-Projekt verwirklichen, entwickeln die Russen Raketenabwehrsysteme, um die von uns produzierten Kriegsflugzeuge abzuschießen. Kaufen wir jetzt also die S-400-Raketen, um unsere eigenen Flugzeuge abzuschießen? Kommt Ihnen das nicht eigenartig vor? Auch eine andere Sache ist erklärungsbedürftig: Gegen wen, also gegen welches feindliche Land, werden wir die S-400-Raketen einsetzen? Das für uns momentan problematischste Land ist Syrien. Können wir uns mit diesen Raketen gegen einen möglichen Luftangriff aus Syrien verteidigen? Natürlich nicht, denn Syrien ist Russlands wichtigster Verbündeter und ein Großteil der syrischen Kampfflugzeuge wurde in Russland hergestellt.“
Erdoğan hat sich verzockt
Mit dieser konsequenten Reaktion hat Erdoğan wohl nicht gerechnet, vermutet der Deutschlandfunk:
„Der Rauswurf der Türkei aus dem F35-Programm scheint außer ihm gleich die gesamte Führung der Türkei in Schockstarre versetzt zu haben. ... Mit dem Kauf der S-400 hat sich Erdoğan gründlich verzockt. Immerhin ist beziehungsweise war die Türkei nicht nur Besteller von mehr als 100 F35-Jets sondern auch Mitentwickler und Lieferant von rund 900 Bauteilen. Über die Gesamtdauer des Projekts entgehen der Türkei amerikanischen Schätzungen zufolge Geschäfte in Höhe von neun Milliarden US-Dollar. Dabei hätte der Kampfjet den Türken vermutlich mehr genützt als das Raketenabwehrsystem, bei dem sich selbst Experten fragen, wo es sinnvollerweise stationiert werden soll.“
Ankara wird sich rächen
Die Türkei wird den Rauswurf nicht einfach so hinnehmen, kommentiert der Journalist Iwan Jakowyna in Nowoje Wremja:
„Die Türken haben eine ganze Menge an Möglichkeiten, um sich zu rächen. Sie könnten zum Beispiel Nato-Geheimnisse an Russland verraten oder die USA aus dem riesigen und strategisch wichtigen Luftwaffenstützpunkt İncirlik rausschmeißen, wo unter anderem auch Atomwaffen gelagert werden. … Die gesamte Logistik des Pentagons im Nahen Osten ist von der aktiven Nutzung des Militärstützpunktes İncirlik und des türkischen Luftraums abhängig. Sollten die USA und die Türkei sich zerstreiten (und zurzeit sieht es danach aus), wäre es für die USA äußerst kompliziert, etwa eine Militäroperation gegen den Iran zu beginnen.“