Rechte haben den Diskurs verschoben
Auch wenn der mutmaßliche Täter aus Eritrea stammt, sieht Chefredakteurin Bascha Mika in der Frankfurter Rundschau keinen Grund, nun eine Debatte über Gefahren der Zuwanderung zu führen:
„Jede nur denkbare Gewalt, alle Gräueltaten wurden und werden hierzulande auch von Tätern mit deutschem Pass begangen. Vergewaltigung - findet massenhaft im familiären deutschen Umfeld statt. Missbrauch - die Kinderschänder sitzen in deutschen Schulen und Kirchen. Mord und Totschlag - wie viele der Verurteilten sind wohl stolz auf ihre deutschen Wurzeln? Doch jeder Fall, in dem Migranten eine Rolle spielen, wird angeblich zum Beweis für die Gefahr durch Zuwanderung. Als wäre dies ein friedliches und gewaltfreies Land, könnten wir nur die vermeintliche Bedrohung von außen eliminieren. Absurd. Aber gängiges Gedankengut. So weit hat der rechte Diskurs die öffentliche Debatte schon durchdrungen.“
Gegen Vertrauensverlust hilft keine Statistik
Die deutsche Debatte über die Tat auf dem Frankfurter Hauptbahnhof zeigt, dass das Vertrauen in den Staat schwindet, resümiert Lidové noviny:
„Im Frühjahr meldete Bundesinnenminister Seehofer, dass die Zahl der Verbrechen deutlich gesunken sei. Das stimmte. ... Aber die Leute sind gewöhnt, in der Öffentlichkeit nicht angegriffen, verletzt oder getötet zu werden. Das ist eine Frage des Vertrauens, keine der Statistik. Vertrauen ist wichtiger als Geld. Wo der Bürger das Vertrauen in den Staat verliert, hilft auch Geld nicht mehr.“
Politiker verkennen die Realität
Der Staat droht zu scheitern, warnt der deutsche Journalist Karl-Peter Schwarz in Die Presse:
„Könnte es sein, dass die Politiker das Signal unterschätzen, das von dem Mord an dem achtjährigen Buben ausgeht? Was auf Gleis 7 des Frankfurter Hauptbahnhofs geschah, kann sich überall wiederholen; es gab Dutzende ähnliche Fälle, zum Beispiel auch in der U3 am Wiener Westbahnhof. Das Grundvertrauen, in der eigenen Umgebung sicher zu sein, schwindet. Die, 'die schon länger da sind', müssen immer mehr Risiken und Einschränkungen in Kauf nehmen. Zugleich müssen Migranten befürchten, von Rassisten attackiert zu werden. Der Staat droht an den Problemen zu scheitern, die sich in Jahrzehnten unserer angeblich humanen, in Wirklichkeit verantwortungslosen Migrationspolitik angehäuft haben.“
Unsicherheit und Frustration
Die Reaktionen in Deutschland betrachtet die Neue Zürcher Zeitung:
„Etwas stimmt nicht in Deutschland. Das Land wirkt seltsam unsicher und fragil. Die tödliche Attacke eines in der Schweiz wohnhaften Eritreers auf einen achtjährigen Jungen kann kein Beleg dafür sein, dass die deutsche Flüchtlings- und Sicherheitspolitik gescheitert ist. Die Reaktionen zeigen aber, dass viele Leute mit der deutschen Zuwanderungspolitik nicht einverstanden sind; die Diskussionen über neue Sicherheitsmassnahmen an Bahnhöfen zeigen, dass sich viele Leute nicht sicher fühlen. Sie sind berechtigterweise frustriert, weil der Staat dabei versagt, Abschiebungen durchzuführen und besonders Querulanten auszuschaffen, die das Asylsystem in Deutschland ausnutzen. Sie sind vermutlich auch darüber frustriert, dass in Deutschland eine 'Werteerosion' stattzufinden scheint, wie sich Seehofer ausgedrückt hat.“
Fatale Lücke im System
Bild-Chefredakteur Julian Reichelt sieht keinen Grund, eine Debatte über die Herkunft des Täters zu unterdrücken:
„Denn die Frage lautet nicht nur, wie ein Mensch so etwas nur anrichten kann. Die Frage lautet auch, wieso genau dieser Mensch und noch viele andere potenzielle oder bereits aktive Gewalttäter völlig ungehindert nach Deutschland einreisen können ... [E]s gibt keine systematische Kontrolle mehr darüber, wer nach Deutschland kommt oder sich bei uns frei bewegt. Die EU hat diese Kontrollen mit Schengen abgeschafft, ohne gleichzeitig wirksamen Schutz der Außengrenzen (so wie versprochen) zu garantieren und Datenaustausch zwischen Staaten sicherzustellen, sodass Polizisten jederzeit wissen können, ob sie einen Gesuchten vor sich haben. ... Es muss die höchste Priorität der Regierung Merkel sein, das endlich, endlich zu ändern!“
Sündenböcke helfen nicht
Aus Wut darf nicht Hetze werden, hält Der Standard fest:
„Gäbe es ein Motiv, wäre alles viel nachvollziehbarer. So bleibt man fassungslos zurück. Einige akzeptieren das, andere verlangen trotzdem nach Antworten - und nach einem Sündenbock. Damit wären wir wieder bei dem jungen Mann und Angela Merkel. Doch damit macht man es sich zu einfach. Sündenböcke und rassistische Hetze sind trotz der verständlichen Wut, die in einem brodelt, nicht die Lösung. Oder wie es ein anderer Mann am Dienstag am Frankfurter Hauptbahnhof formulierte: Die Herkunft des Täters tue nichts zur Sache. Sie mache die Tat weder schlimmer noch besser - und helfe auch nicht, sie zu verstehen.“
Deutschland hat die Kontrolle verloren
Dass Deutschland durch Einwanderung zu einem Krisenherd geworden sei, polemisiert das regierungsnahe ungarische Portal Origo:
„Unschuldige Menschen, die vor die Bahn gestoßen werden, Strände, an denen man sich wegen der tobenden Migranten kaum noch aufhalten kann, Messerstechereien auf den Straßen - so sieht, kurz zusammengefasst, der Alltag in Deutschland aus, nachdem Angela Merkel 2015 eine halbe Million Einwanderer ohne jede Kontrolle ins Land gelassen hat. Natürlich hat der Flüchtlingsstrom entgegen anders lautender Propaganda in den letzten Jahren nicht abgenommen - während die ursprünglichen Deutschen das Land verlassen. Und die Polizei ist machtlos gegenüber der überhandnehmenden Migrantengewalt.“