Gibt es noch Hoffnung auf einen Brexit-Deal?
Großbritanniens Premier Johnson trifft sich am heutigen Donnerstag mit seinem irischen Amtskollegen Leo Varadkar, um erneut die Möglichkeiten für einen Brexit mit Austrittsabkommen auszuloten. Da das britische Parlament und Johnson den Backstop ablehnen, Irland und die EU aber eine harte Grenze auf der Insel vermeiden wollen, gelten die Chancen für eine Einigung als gering. Die Presse streitet, wer Schuld daran ist.
Sturheit der EU macht Kompromiss unmöglich
Die EU gibt der britischen Regierung bei der Suche nach Alternativen zum umstrittenen Backstop null Spielraum, klagen die konservativen Unterhausabgeordneten Greg Hands und Suella Braverman in The Daily Telegraph:
„Man fragt sich, warum die EU noch vor einigen Monaten der Entwicklung von Alternativen zum Backstop zugestimmt hat. ... Wenn es nun offenbar keine akzeptablen Ersatzlösungen gibt, wird es anscheinend wirklich nie ein Abkommen geben. Dies wäre nicht nur für alle Seiten schlecht, sondern würde auch bedeuten, dass die größte Sorge der EU Realität werden könnte: Ein befreites, kompetitives Großbritannien vor der eigenen Haustür, das seine Lieferketten neu auf die USA und Asien ausrichtet. Großbritannien könnte in einer solchen Krise gar keine andere Wahl haben. Aus EU-Sicht wäre das ein absurdes Ergebnis.“
Großbritannien ist doch nicht Nordkorea
Dass Großbritannien sich nach einem No-Deal-Brexit von der EU ab- und anderen Handelspartnern zuwendet, verweist The Irish Times hingegen ins Reich der Märchen:
„Die EU ist Großbritanniens wichtigster Handelspartner. ... Das Land wird schlicht nicht in der Lage sein weiterzubestehen, ohne ein Abkommen [mit der EU] zu schließen. Es fällt schwer, sich überhaupt einen Staat auf der Erde vorzustellen - mit Ausnahme von Nordkorea -, der keine Handelsvereinbarungen mit seinen Nachbarn hat. Im Falle eines No-Deal-Brexit werden die Verhandlungen jedoch in einer Situation stattfinden müssen, in der Großbritannien mit einem plötzlichen Handels- und Wirtschaftschaos konfrontiert ist. Das Land wird sich dann zwar um ein Abkommen mit der EU bemühen - aber von einer schwächeren Position aus als jetzt.“
Berlin als Brexit-Sündenbock
Boris Johnson will Deutschland die Schuld am Scheitern der Brexit-Gespräche in die Schuhe schieben, erklärt der Tages-Anzeiger:
„Die Aversion gegen den ehemaligen Kriegsgegner und dessen Wiederaufstieg zur Macht via Brüssel waren für viele Briten ein Grund gewesen, 2016 für den Brexit zu stimmen. Auch drei Jahre später hört man immer noch, die EU sei das trojanische Pferd, durch das Berlin in London erneut einmarschiert sei. Bis zuletzt war im Königreich zudem die Hoffnung geschürt worden, Berlin werde die EU-27 zu Kompromissen überreden. Dass die Kanzlerin die Einheit der 27 nie aufgeben würde, wurde in London nicht gern erwähnt. Stattdessen wurden Erwartungen geschürt, nun ist die Empörung groß.“