Eine europäische Sicherheitszone für Nordsyrien?
Die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat vergangene Woche eine international überwachte Schutzzone in Nordsyrien gefordert. Dadurch sollen die Konfliktparteien getrennt, die Waffenruhe überwacht sowie neutrale Lageberichte erstellt werden können. Die USA lehnten eine Beteiligung ab. Kommentatoren bewerten die Tauglichkeit, aber auch den Zeitpunkt des Vorstoßes.
Richtiger und überfälliger Anstoß
Endlich schauen Deutschland und Europa nicht mehr nur zu, konstatiert Spiegel Online:
„Ziel einer Sicherheitszone müsste es sein, eine weitere Vertreibung der Kurden aus der Grenzregion zu verhindern und den zivilen Wiederaufbau in Gang zu bringen. Zudem sollte die Zone das Wiedererstarken des IS in der Region verhindern. Auch wenn die Erfolgsaussichten von Kramp-Karrenbauers Vorstoß gering sein mögen: Es war richtig, endlich eine Diskussion darüber anzustoßen, wie sich Deutschland und Europa an der Stabilisierung Syriens beteiligen können - über den Kampf gegen den IS hinaus. Und es ist gut, dass endlich einmal eine Initiative aus Deutschland kommt. Der Impuls, dass Europa in seiner Nachbarschaft nicht nur Zuschauer sein kann, ist richtig.“
Letzte Chance, Verantwortung zu übernehmen
Auch Politiken kann diesem Vorschlag etwas abgewinnen:
„Was die europäischen Nato-Staaten anbieten können, ist, Soldaten einzusetzen, um den Rest der syrischen Kurden vor Krieg zu schützen. Sie können verhindern, dass noch mehr Zivilisten zur Flucht gezwungen werden - und dem Gebiet Rechtsschutz geben in den Verhandlungen über den Wiederaufbau Syriens und seine künftige Verfassung. Wenn die Kurden vor Krieg und Unterdrückung geschützt werden sollen, muss eine Selbstverwaltung, wie sie im Nordirak funktioniert, gesichert werden. Wenn die Tragödie in Syrien nicht zu einem historischen Versagen Europas werden soll, ist das jetzt die letzte Möglichkeit, die notwendige Verantwortung zu übernehmen.“
Der Vorschlag kommt viel zu spät
Nach der türkischen Offensive und der Vereinbarung mit Russland braucht es keine gemeinsame Sicherheitszone mehr, meint Hürriyet Daily News:
„Die Deals der Türkei mit den Vereinigten Staaten am 17. Oktober und mit Russland am 22. Oktober haben die Bedingungen in dem Syrischen Theater drastisch verändert, und tatsächlich haben sie keine Notwendigkeit mehr für die Präsenz einer internationalen Truppe zurückgelassen. ... Falls sich die Europäer wirklich an dem Prozess beteiligen wollen, sollten sie besser die neuen Realitäten anerkennen und solide Projekte für eine langanhaltende politische Lösung in Syrien und für den Wiederaufbau des kriegsgeschundenen Landes präsentieren.“
Knospen der Demokratie hegen
Russland und China haben nur autoritäre Regime als Partner. Für die USA ist hingegen eine Intensivierung anderer Bündnisse wichtig, meint der amerikanische Pulitzer-Preisträger Thomas Friedman in Nowoje Wremja:
„Fast jeder versteht jetzt, dass wir nicht die Zeit, die Ausdauer, die Energie oder das Know-how haben, um im Nahen Osten Demokratie zu schaffen. Dort sollten wir, wo möglich, die Würde stärken, in der Hoffnung, dass sich diese Inseln der Würde vernetzen und als Demokratie erblühen. Zum Beispiel sind das irakische Kurdistan und die syrisch-kurdischen Regionen trotz ihrer Korruption und ihrem Tribalismus Inseln der Würde, wo Frauen immer mehr Chancen haben, der Islam in moderater Form praktiziert wird und an amerikanisierten Universitäten eine liberale westliche Bildung gefördert wird. Trump hat die syrischen Kurden im Stich gelassen, hat so die Inseln der Würde eher geschwächt.“