Was hat der Ukraine-Gipfel gebracht?
Moskau und Kiew wollen bis Jahresende einen vollständigen Waffenstillstand in der Ostukraine erreichen. Zudem vereinbarten Putin und Selenskyj in Paris einen teilweisen Truppenabzug und einen Gefangenenaustausch. Im März soll ein weiteres Treffen im Normandie-Format stattfinden. Kommentatoren sind enttäuscht von den Ergebnissen des Gipfels.
Der Krieg geht auch nach Paris weiter
Pessimistisch resümiert das Internetportal strana.ua:
„Die Dinge, die erreicht wurden, wiegen nicht das auf, was nicht erreicht wurde. Nicht erreicht wurden: 1. Eine Einigung über das Verfahren für die Abhaltung von Wahlen und die Übertragung der Grenzkontrolle (vor oder nach den Wahlen). 2. Eine Einigung über eine Vision eines Sonderstatus. 3. Eine Einigung über eine Truppenentflechtung entlang der gesamten Frontlinie. Im Klartext bedeuten diese drei Punkte, dass der Krieg fortgesetzt wird, da es keine politische Lösung geben wird und die Armeen immer noch einander gegenüberstehen (und aufeinander schießen).“
Ohne neues Abkommen funktioniert es nicht
Die Minsk-Vereinbarungen müssen modifiziert werden, meint Sergei Postolowski in Nowoje Wremja:
„Merkel hatte gesagt, dass 'man ... vor dem Hintergrund der Präsidentschaftswahlen in der Ukraine die Frage stellen kann, ob dieses Abkommen versteinert oder zum Leben erweckt werden soll'. Wir sehen, dass Bundeskanzlerin Merkel nicht gegen eine Modifizierung des Minsker Abkommens ist. Auch Selenskyjs Erklärung, er sei mit der Fassung des Memorandums, wie sie am 12. Februar 2015 in Minsk unterzeichnet wurde, nicht einverstanden, hat ihre Berechtigung. So können die westlichen Kräfte Druck auf Russland ausüben, wenn es um die Überarbeitung des Abkommens und die Erarbeitung eines neuen Dokuments geht, das den heutigen Realitäten gerecht wird. Allein ein neues Dokument kann den Weg für eine Kontrolle der Ukraine über die Grenze ebnen.“
Die Steinmeier-Formel ist der Haken
In der Schlusserklärung steht eine Passage, die für Kiew zum Problem werden kann, warnt die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„Die Ukraine soll die sogenannte 'Steinmeier-Formel' gesetzlich verankern. Sie besagt, dass das Gesetz über den Sonderstatus der Konfliktgebiete in der Ukraine am Abend des Tags vorläufig in Kraft treten soll, an dem dort Lokalwahlen stattfinden; dauerhaft gelten soll es von dem Moment an, an dem die OSZE diese Wahlen für frei und fair erklärt. Der Kreml nimmt das als Argument für seine Position, dass der ukrainische Staat erst nach Wahlen in das Gebiet der 'Volksrepubliken' zurückkehren darf. ... Und wenn die innenpolitisch schwierige Durchsetzung der Steinmeier-Formel in der Ukraine sich verzögern sollte, wird Moskau genüsslich darauf verweisen, dass ja Kiew seine Verpflichtungen nicht erfülle.“
Handfeste Ergebnisse Fehlanzeige
Ria Nowosti ist von den Gipfelergebnissen wenig beeindruckt:
„Es gab keine Entscheidung über Wahlen in der DNR und LNR [den von Separatisten ausgerufenen 'Volksrepubliken' in Donezk und Luhansk]. Auch Kiews Traum von der Kontrolle der Grenze hat sich natürlich nicht bewahrheitet. ... Betrachtet man die Ergebnisse des Gipfels nüchtern, so sind sie exakt so, wie es zu erwarten war: Sie sind so gut wie nicht vorhanden. Wie es ein anonym gebliebener Vertreter Kiews formulierte: 'Man hat abgesprochen, sich weiterhin abzusprechen.' Das Abschlusskommuniqué bekräftigt diese tiefsinnige Beobachtung voll und ganz, denn es enthält faktisch keinen Punkt, der den Regulierungsprozess im Donbass prinzipiell vorantreiben würde.“
Drei auf einen Streich für Putin
Derzeit gewinnt in diesem Friedensprozess nur einer, beobachtet Rzeczpospolita:
„Wenn Putins Plan erfolgreich ist - mit Hilfe von Berlin und Paris -, wird er einen dreifachen Sieg erzielen. Erstens werden die ostukrainischen Gebiete an Russland gehen. Putin plante ohnehin nie, auf etwas zu verzichten, das er sich 2014 genommen hat. Zweitens wird Russland die Ukraine dauerhaft an sich binden, indem es dem Land die Illusion gibt, einen Einfluss im Donbass zu behalten. ... Kiew wird Europa vergessen müssen. Drittens wird 'die Lösung der ukrainischen Frage' Putin die Möglichkeit geben, sich mit dem Westen zu versöhnen. Wie ein verlorener Sohn wird er in die Salons der G8 zurückkehren und seinen Sonderstatus in den Beziehungen zu ausgewählten Führern und Mächten wiedererlangen.“
Bitte keine Appeasement-Politik
Vor Zugeständnissen an Moskau warnt The Independent:
„Frankreich und Deutschland sollten ausdrücklich anerkennen, dass in den besetzten Gebieten des Donbass keine Wahlen stattfinden können, bis die Ukraine die Kontrolle über die gesamte Länge ihrer Staatsgrenze wiedererlangt hat und illegale bewaffnete Gruppen entwaffnet sind. Entscheidend ist auch, dass die Sanktionen gegen Russland nicht aufgehoben werden und dass es keine politische Annäherung an Russland gibt - auch nicht im G7/G8-Format -, bis Wladimir Putin seine Verpflichtungen erfüllt hat. ... Die Geschichte wird Emmanuel Macron oder Angela Merkel nicht wohlwollend beurteilen, wenn sie wie einst der britische Premier Neville Chamberlain handeln und stolz 'Frieden für unsere Zeit' ausrufen, nur damit es dann weitere Feindseligkeiten gibt.“