Trendwende beim Klimaschutz?
Ein weiterer Hitzesommer, verheerende Waldbrände, Überschwemmungen: Der Fokus auf das Klima hat sich 2019 durch diese Ereignisse noch einmal geschärft. Die Fridays-for-Future-Proteste haben sich weltweit ausgebreitet. Die neue EU-Kommission setzt den Klimaschutz an die erste Stelle. Kommentatoren diskutieren, ob der Hebel wirklich umgelegt wurde.
Die Jugend hat uns wachgerüttelt
2019 war das Jahr, in dem der Klimaschutz zum Thema für alle geworden ist, erklärt der Deutschlandfunk:
„Endlich ist die Debatte dort angekommen, wo sie hingehört: ins heimische Wohnzimmer, an den Stammtisch, in den Ortsverein. Welten und Generationen prallen da aufeinander. Hier unser Lebensstil - liebgewordene Gewohnheiten, Bequemlichkeiten, grassierender Konsum - dort eine überwiegend junge Generation, die um ihre Zukunft kämpft. ... Diesen Bewusstseinswandel hat Greta Thunberg nicht allein, aber doch wesentlich mitausgelöst - entsprechend harsch sind manche Reaktionen. Dass eine 16-Jährige bei aller Begeisterung auch erbärmliche Häme bei ihren Kritikern erzeugt, zeigt, wie dringend ihr Anliegen ist. ... Die Greta Thunbergs dieser Welt werden weiter gebraucht.“
Von nun an geht's bergauf
Dass in der Klimapolitik eine echte Wende bevorsteht, ist nicht zuletzt der EU zu verdanken, freut sich Giovanni Pitruzzella, Ex-Präsident der italienischen Wettbewerbsbehörde Antitrust, in Corriere della Sera:
„Erstens gibt es einen Wandel des wirtschaftlichen Paradigmas, der es ermöglicht, wirtschaftliches Wachstum mit der Erhaltung des Planeten in Einklang zu bringen. ... Zweitens beabsichtigt die EU-Kommission, alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel dafür einzusetzen: Festlegung neuer Regeln, Förderung von Innovation und Forschung, Subventionen und Besteuerung, Umwandlung der [Europäischen Investitionsbank] EIB in eine 'Klimabank' sowie eine Neuorganisation der europäischen Fonds, um Gelder für die neue Strategie bereitzustellen und Regionen und soziale Gruppen zu entschädigen, die durch den Klimawandel benachteiligt werden.“
Es wird schlimmer, nicht besser
Ganz und gar nicht optimistisch blickt Financial Times in die Zukunft:
„Die Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe sind seit 2010 im Durchschnitt um 0,9 Prozent pro Jahr gestiegen. Und es gibt viele Anzeichen für einen erneuten Anstieg im Jahr 2020. Steigt das globale BIP wie prognostiziert, ist mit einem Anstieg des Energieverbrauchs zu rechnen. Der Bedarf wird noch immer hauptsächlich mit fossilen Brennstoffen gedeckt. Einige der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften werden wieder große Verbraucher von Kohle sein, dem schmutzigsten fossilen Brennstoff, nicht zuletzt China. Das Land stößt mehr CO2 aus als die USA und die EU zusammen. Und die Bemühungen Pekings, die Wirtschaft anzukurbeln und die Energieversorgungssicherheit zu erhöhen, könnten den Kohleverbrauch weiter erhöhen.“
Das schlechte Gewissen macht uns passiv
Allzu moralisierende Forderungen, in Zeiten der Klimakrise den eigenen Lebensstil zu ändern, könnten gegenteilige Auswirkungen haben - auch wenn sie im Kern berechtigt sind, warnt Berlingske:
„Eine Sache könnte noch gefährlicher werden: Uns selbst persönlich die Schuld für die Erderwärmung zu geben. Nicht, weil unsere Taten Gottes grüne Erde unberührt ließen. ... Sondern weil die Schuld auf unseren Schultern allzu leicht zu einer Verdrängung der Wirklichkeit und damit zur Passivität führen kann - falls dies nicht schon geschehen ist.“